„Hausgeister“ geweckt

■ Wohnprojekt Klausstraße: Razzia im Morgengrauen Vier Bewohner festgenommen Von Kai von Appen

Staatsschutz und Bereitschaftspolizei haben gestern in aller Frühe das Wohnprojekt „Hausgeist“ in der Ottensener Klausstraße gestürmt. Objekt der Begierde: Ein Transparent, das den Todesschuß eines SEK-Zivilfahnders in den Rücken des 15jährigen Kurden Ayhan Eser in Hannover anprangert. Die provokante Aufschrift: „Polizei ermordet jungen Kurden – deutsche Polizei/türkische Armee dieselbe Mörderbande – Es lebe die PKK.“

Noch am Wochenende hatte die Polizei scheinbar gelassen auf den Spruch an der Hausfassade reagiert. „Wir fühlen uns auch nicht als Mörderbande“, so ein Sprecher des Lagedienstes im Präsidium. Bei der Politischen Polizei (LKA 3) sah man es dagegen anders und beantragte einen Durchsuchungsbefehl wegen „Beleidigung“. Eine Razzia wegen „Werbung für eine terroristische Vereinigung“ (Paragraph 129a) hatten die Polizisten nicht durchsetzen können, da die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK nur auf der Grundlage der Vereins- und Ausländergesetzgebung kriminalisiert worden ist. Die „Werbungs“-Verbote gelten also lediglich für Menschen, die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben.

Die vermeintlich beleidigten Polizisten brachen denn gestern bei den überraschten „Hausgeistern“ die Haustür auf. „Wir hatten überhaupt keine Zeit, die Tür zu öffnen, da haben sie schon unser Schloß zerbohrt“, so eine unsanft geweckte Bewohnerin zur taz. Vier verpennte „Hausgeister“ wurden vorläufig festgenommen. Beschuldigung: „Verdacht des Widerstands.“

Die politische Polizei hatte offensichtlich große Eile, den Durchsuchungsbeschluß wegen „Beleidigung“ umzusetzen, damit der Durchsuchungsgrund nicht entfällt. Denn ein Gutachten des Hannoveraner Landeskriminalamts hatte am Dienstagabend ergeben, daß der Todesschuß aus 10 Zentimeter Entfernung auf Ayhan Eser abgefeuert wurde. Von einem versehentlich bei einem Gerangel gelösten Schuß, so die Version des Todesschützen, gehen auch kurdische und türkische Organisationen nicht aus. Sie wollen heute ihren Protest über den Todesschuß von Hannover kundtun. Linke Türken und Kurden versammeln sich um 17 Uhr auf der Moorweide, am Dammtor treffen sie die ebenfalls demonstrierenden Jusos und das Antifaschistische Bündnis. Die Polizei bereitet sich mit einem Großaufgebot vor, weil militante Aktionen der Kurden erwartet werden.