Miesmuschel-Massenmord in der Weser

■ Nach dem Störfall bei der Bremer Wollkämmerei: Kläranlage umgekippt, 200 Meter Weser tot

Massensterben in der Weser. Auf gut 200 Flußmeter in Bremen Nord sind Muscheln und Frösche vollständig ausgerottet. Der Grund: Die Bremer Wollkämmerei hat mit einer hochtoxischen Brühe die Bakterien in der eigenen biologische Kläranlage gekillt, und so ist über mehrere Tage Anfang Juni das Abwasser ungeklärt in die Weser geflossen. Das meldete Radio Bremen. Die Fische unterhalb der Einleitungsrohres konnten sich in Sicherheit bringen, die Pflanzen im Fluß haben den Giftschock überlebt, nur die immobilen Tiere haben dran glauben müssen. Und das direkt unter den Augen der Umweltbehörde. Die überwachte die Einleitungen der BWK ganz genau, seit es Ende Mai zu einem Störfall gekommen war. Trotz der Überwachung konnte das Wasserwirtschaftsamt den Giftschock nicht verhindern, sagte gestern der zuständige Wasserwirtschaftler Hans-Peter Weigel. Daß die Kläranlage umgekippt sei, das hätten die Behörden erst mit Zeitverzögerung merken können.

Ende Mai war ein Teil des Klärprogramms, ein Kessel, in dem die Abwässer eingedampft und die Rückstände verbrannt wurden, ausgefallen. Über die ersten Tage nach dem Störfall hatte sich die BWK noch retten können, indem sie die Abwässer in Rückhaltebecken pumpte. Als die voll waren, floß die nur leidlich geklärte Brühe in die Weser. Der Kessel ist schlecht und recht repariert, aber das gebunkerte hochgiftige Abwasser blieb. Das versuchte die BWK nun Ende Mai sechs Tage lang, über ihre biologische Kläranlage zu entsorgen – in zu hohen Konzentrationen. Die Baktereien gingen ein. „Das muß eine hochtoxische Brühe gewesen sein“, schließt daraus Hermann Kleemeyer, Chemiker bei der Umweltstiftung World Wide Fund for Nature (WWF). „Die Bakterien können einiges ab. Man muß denen schon was bieten, um sie zu killen.“ Deren Ableben merkten die Kontrolleure aber erst, als am Ende der Leitung die Schadstoffkonzentrationen nach oben gingen. Die Brühe braucht mehr als vier Tage, bis sie die Kläranlage durchlaufen hat.

Das war der Moment, vor dem der Umweltsenator schon gestanden hatte, als der Kessel seine Dienst versagt hatte: In die Weser mit dem Dreck aus der Anlage oder „ich mach den Betrieb dicht“, so Weigel. Der Dreck aus der Kläranlage floß in den Strom, mit den beschriebenen Folgen. Die Schadstoffkonzentrationen überschritten die Grenzwerte um das 40fache. Das Ammoniak sei es gewesen, was den Tieren den Garaus gemacht habe, sagt der Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes.

Das Abwasser aus der laufenden Produktion wurde vier Tage zurückgehalten, bis die biologische Kläranlage wieder in Betrieb genommen werden konnte. Bis in diese Tage pumpt die BWK einen Teil der aufgefangenen Abwässer täglich durch die Anlage. Die Grenzwerte werden immer noch um das um das vierfache überschritten.

Doch damit hat sich die BWK noch lange nich aller Probleme entledigt. Auf dem Firmengelände existiert ein Becken mit 3.000 Kubikmetern Wollwaschwasser. Durch die lange Lagerung ist die Giftbrühe so vergammelt, daß sie weder durch die biologische Klärung, noch durch die Eindampfungsanlage geschickt werden kann. Jetzt wird geprüft, ob sich die Kläranlage Seehausen des Abwassers annehmen kann.

Aber selbst dann wäre noch nicht alle Probleme beseitigt. Der Kessel ist zwar seit Anfang Juni wieder angefahren, doch ob er auch hält, das wird sich erst in den kommenden Tagen entscheiden. Dann nämlich wird die Anlage für eine Woche stillgelegt und vom TÜV überprüft. Viel länger darf das auch nicht dauern, denn dann sind die Rückhaltekapazitäten erschöpft. Sollte sich herausstellen, daß der Kessel doch erneuert werden muß, dann müssen die Aale wieder zittern.

Die BWK selbst hüllt sich zu den Vorfällen in Schweigen. „Was interessiert Sie'n das?“ wollte der zuständige Öffentlichkeitsangestellte Becker wissen. „Fragen Sie das Wasserwirtschaftsamt.“ Und dann legte er auf. J.G.