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■ Der Krieg ist mitten in Europa: „Enjoy Sarajevo“ – Fotos und Graphiken in der Galerie Treppenhaus

Was macht ein Designer, dessen Land sich seit zwei Jahren im Krieg befindet und der infolgedessen kein Geld verdienen kann, da keine Aufträge mehr reinkommen? Er könnte sich zum Beispiel dem Staat verdingen und Plakate für Kriegspropaganda entwerfen. So geschehen im Falle eines unbekannten Künstlers, der sich seine Brötchen jetzt beim Informationsministerium der Regierung der Krajina-Serben verdient. Dieses Desinformationsministerium möchte ein bißchen gegen die Kroaten agieren und natürlich gegen die Deutschen. Ergebnis: beispielsweise ein kleiner Junge mit blondem SS-Haarschnitt und T-Shirt mit kroatischer Flagge, hämisch grinsend, Steinschleuder in der Hand, mit der er soeben die Friedenstaube abgeschossen hat, alles vor Schwarz-Rot-Gold-Hintergrund und Titel: „Nasty boy of a nasty mother.“

Aber eigentlich ist das ja alles gar nicht unser Thema. Eigentlich geht es ja um die anderen Designer, die sich nicht dem Informationsministerium verdingen und deren Plakate vom gleichen ARD-Kameramann entdeckt wurden wie das oben erwähnte. „Trio Sarajevo“, die seit Mitte der 80er Jahre als Designer tätig sind und bereits durch ihre Entwürfe für Handel und Industrie international bekannt wurden, haben sich in den letzten zwei Jahren darangemacht, den Krieg in ihrer Heimatstadt Sarajevo zu verarbeiten. „Enjoy Sarajevo“ heißt programmatisch-zynisch ihre Ausstellung, die jetzt zum ersten Mal außerhalb Sarajevos in der Galerie im Treppenhaus zu sehen ist.

Das Trio, das zu Kriegszeiten wegen Auswanderung zum Duo schrumpfte, spielt mit dem Wiedererkennungswert westlicher „Kulturgüter“. Aus „Enjoy Coca-Cola“ wird mit gleichem Schriftzug „Enjoy Sara-jevo“, aus „Berlin – The Wall“ von Pink Floyd wird „Sarajevo – The Wall“, redesigned by Trio Sarajevo. Der Kameramann wurde auf das verheiratete Duo aufmerksam, als er einen Film über zehn Jahre Olympische Spiele in Sarajevo drehte, da paßten die Variationen der beiden (olympische Ringe aus Stacheldraht, verkehrtes Olympia-Motto: The important thing in the olympic games is not taking part but winning) über das Thema ganz gut. Der Zynismus als Aufarbeitungsform für Kriegserlebnisse ist in der bosnisch-herzegowinischen Hauptstadt sehr weit verbreitet, nirgends auf der Welt werden derartig böse Witze über den Krieg erzählt wie dort. Auch Trio Sarajevo tobt sich aus: Anstelle der monumentalen Schriftzüge „Hollywood“ prangt „Sarajevo“ an einem Berg mit gleicher Form, der Hintergrund allerdings vom Granatfeuer rot erleuchtet, Marilyn Monroe lehnt lässig über der Mauer, unter ihr Dächer, Minarette und Kirchtürme der multiethnischen Stadt, darüber, wie sollte es anders sein, „Some like it – in Sarajevo“.

Beide Abbildungen aus dem Katalog, Edition Treppenhaus

Die Liebeserklärung von Dalida und Bojan Hadzihalilović an ihre Stadt, aus der sie anläßlich der Ausstellung zum ersten Mal seit Kriegsbeginn ausreisten, hat noch einen weiteren Effekt: Hier im fernen und ach so zivilisierten Deutschland zeigen sie unmißverständlich, daß der Krieg keine Sache des Balkans ist. Gegen das Stereotyp „Die schlagen sich doch schon seit Hunderten von Jahren gegenseitig die Köpfe ein“ wird im Wortsinn plakativ in Szene gesetzt, daß Sarajevo eine europäische Hauptstadt ist. Auch die ebenfalls ausgestellten Fotos von Peter Maria Schäfer und Wolfgang Bellwinkel, die den Kriegsalltag mit der Hilflosigkeit der UNO kontrastieren, erinnern an die Pflicht, die Menschen dort nicht „ihrem“ Schicksal zu überlassen. Elke Eckert

„Enjoy Sarajevo“, Plakate des „Design Trio Sarajevo“ und Fotos von Wolfgang Bellwinkel und Peter Maria Schäfer: noch bis 20.8. geöffnet, dienstags bis freitags 15–19 Uhr, samstags 10–14 Uhr, Galerie im Treppenhaus, Albrechtstraße 129, Steglitz.

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