: BVG-„Blüten“-Saat ging nicht auf
■ Haft- und Bewährungsstrafen wegen gefälschter Umweltmarken
Vom fliegenden Händler am Bahnhof über Kleinanzeigen bis hin zu Bekannten – in Berlin ist es mittlerweile ein Kinderspiel, gefälschte BVG-Umweltmarken zu erstehen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, daß den Nahverkehrsbetrieben mittlerweile mehrere Millionen Mark Verluste jährlich durch gefälschte Wertzeichen entstehen.
Die 4.000 BVG-Umweltmarken mit einem Nennwert von rund 370.000 Mark, um die es gestern vor dem Schöffengericht ging, sind jedoch nie unter die Fahrgäste gelangt. Dennoch erhielten zwei der drei türkischen Angeklagten wegen Beihilfe Bewährungsstrafen zwischen neun und zwölf Monaten. Der 35jährige Hauptangeklagte Aysin D. wurde als einziger wegen versuchter Wertzeichenfälschung zu einer Haftstrafe verurteilt und muß 26 Monate verbüßen.
Die drei Männer, die in dem türkischen Lokal „Zan-Zan“ in der Reichenberger Straße in Kreuzberg verkehrten, gaben vor Gericht unumwunden zu, daß dort schon lange ein schwunghafter Handel mit in der Türkei hergestellten BVG-Marken betrieben wird. Die gefälschten Tickets, die im Original 82 Mark kosten, seien dort für 40 Mark das Stück zu haben. Der Hauptangeklagte D. war nach eigenen Angaben aufgrund finanzieller Probleme Anfang des Jahres in den Schwarzhandel eingestiegen. Er hatte sich dabei die guten Kontakte eines Freundes in die Türkei zunutze gemacht. Im Januar schickte er den Mitangeklagten K. als Kurier nach Izmir. Dieser holte dort in einer Druckerei 2.000 gefälschte Marken ab, die in zwei Zeitungen eingeklebt waren. Als Preis wurden 7.000 Mark vereinbart. Doch die Marken gelangten nie ans Ziel, weil der mit einem Haftbefehl in einer anderen Sache gesuchte K. am Flughafen Schönefeld festgenommen wurde. Erst als seine Frau in der U-Haft die Herausgabe der Zeitungen forderte, waren die stutzig gewordenen Beamten auf die Marken gestoßen.
Auch ein erneuter Versuch, Marken aus der Türkei nach Berlin zu bringen, ging schief. Diesmal hatte der Mitangeklagte C. seine Berliner Adresse zur Verfügung gestellt. Aber das Päckchen mit der Markensendung wurde von der Polizei abgefangen. Aufgrund der Geständnisse aller Angeklagten konnte gestern auf die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen verzichtet werden. Die Urkundenexpertin der Polizei stellte den beschlagnahmten Marken in einem Gespräch mit der taz kein gutes Zeugnis aus: „Die sind nicht so doll.“ Laien würde es jedoch schwerlich auffallen, daß die Kanten der gedruckten Buchstaben im Gegensatz zum Original viel runder sind und die Farbgebung kräftiger. Plutonia Plarre
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