: Die letzte Scheibe Jagdwurst
■ Sommertheater beim FC St. Pauli: Statt neuer Spieler gibt es alten Streit
Sportvereine werden gerne als „große Familie“ bezeichnet. Wahrscheinlich deshalb, weil es nirgendwo so oft und heftig kracht wie im trauten Heim. Auch der FC St. Pauli macht da inzwischen keine Ausnahme, jener Verein, der sich bislang immer zugute hielt, der etwas andere zu sein. Am Millerntor jedoch wird sich dieser Tage gestritten und gezofft, als gäbe es kein Morgen mehr - und dies in aller Öffentlichkeit.
Im Mittelpunkt stehen dabei Trainer Seppo Eichkorn und Manager Jürgen Wähling. Der schon lange schwelende Streit um Fähig- und Zuständigkeiten – bereits vor einem Jahr kam es zu einer Eskalation – entzündete sich, als Eichkorn zu Wochenbeginn aus dem Urlaub zurückgekehrt war und sich über die gescheiterten Wechsel von Gerlach (Jena) und Böse (VfL 93) ereiferte: „Hier ist ja überhaupt nichts klar.“ Eine eindeutige Schuldzuweisung an den Manager, der sich zum Buhmann gestempelt sah und am Mittwoch mit den Worten „Ich fühle mich wie der Ascheimer von St. Pauli“ zurücktrat. Zwar konnte Vize-Präsident Christian Hinzpeter nach einem Krisengespräch mit beiden Streithähnen die Wogen etwas glätten und Wähling zum vorläufigen Weitermachen überreden, doch der Konflikt ist keinesfalls gelöst. „Ich entscheide nächsten Donnerstag, wie es weitergeht“, so Wähling, denn dann ist Chef Heinz Weisener aus Spanien zurück. Der hatte Wähling und Eichkorn ermahnt, sich bis zu seiner Rückkehr zusammenzureißen - mit mäßigem Erfolg. Auch gestern ließen die beiden keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig herunterzumachen.
Christian Hinzpeter versteht derweil die Welt nicht mehr: „Das sind doch erwachsene Menschen, die ihre persönlichen Animositäten zum Wohle des Vereins vergessen sollten.“ Sollte man meinen, doch momentan benehmen sich die zwei wie Kinder, die am Abendbrotstisch um die letzte Scheibe Jagdwurst streiten. Dies scheint der wirkliche Grund für die peinliche Posse zu sein: Beiden fehlt die Reife für ihren Job. Wer Dinge ans Tageslicht rückt, die besser intern geklärt werden sollten, darf sich nicht wundern, wenn ihm die Befähigung abgesprochen wird.
Doch auch das FC-Präsidium ist nicht völlig schuldlos. Es war kein geschickter Schachzug, Eichkorn einen Mann vor die Nase zu setzen, der schon erfolgreich als Bundesligatrainer gearbeitet hatte. Aber mit dieser unseligen Konstellation könnte es am Donnerstag vorbei sein. „Einer muß mindestens gehen“, gibt sich Hinzpeter vieldeutig. Vielleicht sollte es dann so sein wie in der Familie: Beide Streithammel müssen zur Strafe barfuß ins Bett. Clemens Gerlach
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