■ Urdrüs wahre Kolumne: Ein Volk geht baden
Huchjemine, nun doch kein Senatsempfang für all' die Skydancer, Tantra-Jogger, Energie-Stricklieseln und anderen Heilegänschen, die da am nächsten Wochenende „Visionen menschlicher Zukunft“ ausgerechnet in der Ödnis des lebensfeindlichen Kongreßzentrums vorantreiben wollen. Und hat nicht der Herr Bundesratspräsident und Bürgermeister Wedeklaus persönlich die Schirmherrschaft übernommen und lässt die Beschirmten jetzt einfach bei den Stadtstreichern unter den Rathausarkaden hängen? Am Ende hätten ein paar Stanniolkugeln aus dem Haus von Wunderheiler Bruno Gröning auf den Bremer Schlüssel gelegt die Staatsfinanzen mit einem Schlag saniert!
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Da wurde doch jetzt per Postwurfsendung ein Otto-Vorsprungs-Coupon in die Haushalte gebracht. Der honiggelbe Schein berechtigte seinen zufälligen Besitzer, den mittlerweile überall im Zeitschriftenhandel erhältlichen Versandkatalog von Otto Hamburg einen Tag früher zu erwerben. Nun steh ich da mit diesem Vorsprungs-Coupon, doch der Vorsprung ist längst eingebüßt. Solche Tragik kommt der Komik wirklich nahe...
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Ernst machen will offenbar jetzt der universelle Viertel-Anwohner Bodo Ballermann und kündigt in BILD Bremen Protestaktionen gegen die DROBS mit diesen klaren Worten an: „Wir können es nicht länger dulden, daß die Bauernstraße von Drogensüchtigen belagert wird.“ Wie anerkennenswert doch gegen diesen durchgeknallten Zornickel die Souveranität des Büros für Lebensfreude, das nicht nur den Junkies und Alks ein Bleiberecht im Viertel zubilligt, sondern auch dem Bodo und dem Stefan und den anderen WIRs . Eine großzügige Geste, die hoffentlich von den hauptberuflichen Anwohnern nicht mißbraucht wird!
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So prophezeit die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft in ihrem Geschäftsbericht den Untergang des großen Deutschland: „Bäderschließungen als ein Ergebnis haushaltspolitischer Konsolidierungsmaßnahmen der Kommunen gefährden in letzter Konsequenz die Schwimmfähigkeit eines ganzen Volkes.“ Das Ende des Stadionbads-letzter Aufruf in die Rettungsboote?
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Ach, ihr herzigen Eltern von Stuhr, die ihr da jetzt wöchentlich die Straße blockiert, um so eine Ampel zu erzwingen:Wisst ihr denn nicht, daß es eure eigenen Autos sind, die eure Kinder mausetot fahren? Und daß die Ampel keinen Malte, keine Annika und keinen Boris retten kann, wenn das böse ADAC-Mitglied mal Gas gibt? Hilfreicher Alternativvorschlag: Setzt Tempo 3O mit einer Scharfschützenstaffel durch-wofür hat's denn einen Schießsportverein?
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Dieser Tage in Bremen. Auch das freundliche Walroß aus dieser Kolumne sucht im Freibad Walle Erfrischung und Erquickung. Lässt sich schließlich im Schwimmerbecken mit einem handtuchgroßen Luftkissen treiben und wird schließlich von einem braungebrannten Bodybuilder-Verschnitt am Beckenrand energisch angepöbelt: „Sofort raus mit dem Ding, sonst kriegste Ärger!“ Der sonnige Schreihals erweist sich als keineswegs x-beliebiger Trottel, sondern als der zuständige Bademeister, der auf Einhaltung der Badeordnung pocht: „Das is hier ein Schwimmerbecken und kein Spielbecken, gleich setzt es was.“ Das hätten wir ja nun gern näher gewusst, aber der Klügere gibt schließlich nach und uns bleibt immerhin die Hoffnung, daß der Kerl an irgendeinerm Kaugummi mit den Zehen hängenbleibt...
Ulrich Reineking-Drügemöller
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