piwik no script img

Erhardt verzichtet auf den Rasenmäher

■ Wissenschaftssenator will künftig bei den Hochschulen durch "Strukturschnitte" Gelder einsparen / FU-Präsident sieht Wissenschaftsmetropole gefährdet / Reduzierung auf 75.000 Studierende?

Nicht mehr mit dem „Rasenmäherprinzip“, sondern durch „Strukturschnitte“ will Wissenschaftssenator Manfred Erhardt (CDU) künftig an den Hochschulen sparen. Ziel müsse es sein, die „Doppel- und Mehrfachangebote“ an den Hochschulen zurückzuschneiden. Er trage damit einen entsprechenden Vorschlag von Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) mit. Allerdings, so versicherte gestern Erhardt, dürfe es dabei nicht zu „Profilverlusten“ an den Universitäten kommen.

Drei Tage vor der entscheidenden Sparklausur des Senats, auf dem der Doppelhaushalt 1995/96 festgeklopft werden soll, wollte sich Erhardt nicht zu den Details äußern. Ausdrücklich wandte er sich gegen das „pauschale Absenken der Staatszuschüsse“, die zu einer ernsthaften Gefährdung von Lehre und Forschung führen würde.

Erst im März hatte der Senat den Hochschulen eine zusätzliche Sparquote von 133 Millionen Mark ab 1995 bis zum Jahr 2003 auferlegt. Zuvor war bereits im Hochschulstrukturplan für den selben Zeitraum eine Summe von 135 Millionen Mark festgelegt worden. Ungeklärt ist zudem noch, wie die für 1995 vorgesehenen zusätzlichen pauschalen Kürzungen von 73 Millionen Mark von den Hochschulen erbracht werden sollen. Allein an der Freien Universität (FU) will Finanzsenator Pieroth in den nächsten beiden Jahren zusätzlich zu den bereits freiwerdenden Stellen noch einmal 800 Stellen streichen. Ohne tiefere Einschnitte in das Angebot der Hochschulen sei dies „nicht zu bewältigen“, erklärte gestern der Präsident der Freien Universität (FU), Manfred Gerlach. Berlin müsse sich der Frage stellen, ob es weiterhin eine Wissenschaftsmetropole sein wolle. „Es gibt doch gerade die Attraktivität der Vielfalt an den Berliner Hochschulen“, begründete Gerlach seine Ablehnung des Pieroth-Vorschlags. Er und die Präsidenten der drei anderen Berliner Hochschulen hatten sich am Vormittag mit dem Regierenden Bürgermeister zu einem Gespräch getroffen.

Zu der hinter den Senatskulissen zirkulierenden Zahl, wonach die Studienplätze bis zum Jahr 2003 auf 75.000 heruntergefahren werden sollen, enthielt sich Erhardt gestern jeglicher Stellungnahme. Er wolle seine Verhandlungsposition in der Sparrunde am 10. und 11. Juli nicht gefährden. Nach wie vor, so ließ er sich lediglich entlocken, halte er die im Hochschulstrukturplan 1993 vorgesehene Absenkung um 15.000 auf 100.000 Studienplätze bis über die Jahrtausendwende für „richtig“.

Wenn die Studienplatzzahl auf 75.000 gesenkt werden sollte, sei Berlin ein Hochschulstandort wie jeder andere, meinte hingegen gestern Gerlach. „Von Metropole kann dann keine Rede mehr sein.“ Skeptisch zeigte er sich auch gegenüber den geplanten Zusammenlegungen mehrerer Fachrichtungen. Es sei undenkbar, beispielsweise eine der Juristischen Fakultäten der FU oder der Humboldt-Universität zu streichen. Um den Hochschulen eine größere finanzielle Autonomie und Flexibilität zu verschaffen, legte Erhardt gestern einen Sieben-Punkte-Katalog vor. Er verwahrte sich gegen den Eindruck, daß seine Vorschläge im Zusammenhang mit den Sparmaßnahmen stehen: „Unabhängig von der jetzigen Debatte brauchen wir strukturelle Veränderungen an den Hochschulen.“ Unter anderem sollen nach dem Plan von Erhardt Mehreinnahmen bei den Universitäten bleiben. Ein Überschuß könnte durch Vermietung von Gebäuden, aber auch durch Nutzungsverträge wissenschaftlicher Einrichtungen für Großunternehmen und mittelständische Betriebe erwirtschaftet werden. Zudem regte Erhardt an, die Zahl der Einzeltitel im Haushalt der Hochschulen zu reduzieren und eingesparte Personalausgaben künftig für Investitionen zu verwenden. Darüber hinaus sollten Versorgungsausgaben und Beihilfeleistungen in den Etat des Innenressorts verlagert werden. Dafür, so Erhardt, müßten jedoch zunächst Barrieren im Hauptausschuß des Abgeordnetenhauses sowie bei der Finanz- und Innenverwaltung überwunden werden. sev

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen