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Wollkämmerei linkte Umweltsenator

■ Gifteinleitung hätte verhindert werden können / Umkippen der Kläranlage zu spät gemeldet

Gifteinleitung hätte verhindert werden können / Umkippen der Kläranlage zu spät gemeldet

Der Störfall in der Bremer Wollkämmerei, in dessen Folge Anfang Juni auf 200 Meter Weser sämtliche Muscheln und Kleinlebewesen vergiftet worden sind, hätte verhindert werden können. Die Wollkämmerei hatte das Umkippen ihrer biologischen Kläranlage erst dann an den Umweltsenator weitergemeldet, als schon nichts mehr zu retten war – obwohl sich schon Tage vorher das Desaster im firmeneigenen Klärwerk abgezeichnet hatte. Erst als auch die Meßwerte bei der Einleitung von Schadstoffen in die Weser in die Höhe schnellten, setzte sich die Firma mit dem Umweltsenator in Verbindung. Da aber hatte der nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder die Einleitung hochgiftiger Wollkämmerei-Abwässer in die Weser zu genehmigen oder den Betrieb stillzulegen. Die Sondergenehmigung wurde erteilt. Heute muß man das Fazit ziehen: Die BWK hat den Umweltsenator schwer gelinkt.

Der Reihe nach: Am 19.5. ereignete sich ein Störfall in der Bremer Wolkämmerei. Dabei fiel der Kessel einer Verdampfungsanlage aus, und legte so die Hälfte der firmeneigenen Klärkapazität still. Neben der Verdampfungsanlage, die einen Großteil der hochgiftigen Abwässer von der Wollwäsche eindampft und dann verbrennt, verfügt die BWK nur noch über eine biologische Kläranlage. Über die ersten Tage konnte sich die Firma retten, sie pumpte ihre Abwässer in Rückhaltebecken. Doch die waren schnell voll, die Reparatur des Kessels zog sich hin. Also begann die BWK, die zurückgehaltene Giftbrühe wie vor dem Bau des Kessels über ihre biologische Kläranlage zu entsorgen, mit Genehmigung der Umweltbehörde. Die Alternative wäre gewesen, den Betrieb stillzulegen, das wollte niemand verantworten. Allerdings sollte die BWK täglich messen, wieviel Gift am Ende des Rohrs in die Weser geleitet wird. Die Einleitung begann am 24.5. Als dann am 29.5 die Meßwerte stiegen, informierte die BWK den Umweltsenator. Ab dem 30. wurde die weitere Einleitung gestoppt.

Am 31. lud das Umweltressort zu einer Pressekonferenz und informierte, daß es einen Störfall bei der BWK gegeben habe. Da war allerdings nur von einem defekten Kessel die Rede, und daß jetzt der Dreck nicht mehr zurückgehalten werden könne und über die Kläranlage eingeleitet werden müsse. Die Realität war um ein paar Fakten reicher: Nicht nur der Kessel war defekt, sondern auch besagte Kläranlage war mittlerweile umgekippt. Und die Giftbrühe, der Anlaß für die eilends einberufene Konferenz, hätte gar nicht erst eingeleitet werden müssen, wenn sich die BWK so verhalten hätte, wie man es in so einer Situation erwarten kann, verantwortungsvoll. Fahrlässig ist die angemessenere Bewertung.

Am 24. hatte die Einleitung in die biologische Kläranlage begonnen. Was bislang unter der Decke gehalten wurde: Schon am 26. gab es die ersten Anzeichen, daß die Kläranlage umkippen würde. Da nämlich stellten die firmeneigenen Kontrolleure fest, daß in der Anlage das große Bakteriensterben eingesetzt hatte. Die Giftdosis, die die BWK gewählt hatte, war offenbar zu hoch. Doch statt diese Konzentration zu verringern fuhr die Firma ihre Anlage mit unverminderter Dosis gegen die Wand. Merkte auch sonst keiner, denn der Umweltsenator hatte sein Meßprogramm erst für das Ende des Rohrs angeordnet, und da kommt der Dreck erst Tage später an.

So kam es, daß erst vier Tage später, am 30. Mai, der erste Dreck beim Umweltsenator ankam – und die Anlage völlig überstrapaziert zusammengebrochen war. Vier Tage also lagen zwischen der ersten Gewißheit, daß die Dosis zu hoch sei und der ersten Meldung an die Umweltbehörde. Die ungeklärte Giftbrühe stand jetzt auch noch in den Klärbecken. Um die Anlage wieder auf Vordermann zu bringen, mußte abgepumpt werden – in die Weser. Da gab es in der Tat nur noch die Alternative: Abpumpen oder den gesamten Betrieb stillegen, den Betrieb eines Unternehmens, das ohnehin wirtschaftlich angeschlagen ist. Der Umweltsenator sah sich genötigt, das Abpumpen zu genehmigen.

Die Kläranlage wurde langsam wieder angefahren, das angesammelte Schmutzwasser peu a peu wieder eingeleitet – diesmal in geringeren Dosen, die langsam gesteigert wurden. Als sich im Laufe der Wochen noch einmal herausstellte, daß es zuviel der Giftbrühe wurde, reagierte die BWK prompt und senkte die Dosis wieder. Was zweierlei beweist: Erstens kann die BWK Probleme in der Kläranlage frühzeitig erkennen und zweitens kann sie die Giftdosis entsprechend verringern. Mit anderen Worten: Die BWK ist mit dem Umweltsenator Schlitten gefahren.

Beim Umweltsenator ist noch nicht ganz raus, welche Schlüsse das Ressort aus der Geschichte ziehen will. Ohnehin kommt der Störfall der Behörde ganz und gar nicht zupaß, sie war gerade auf dem allerbesten Wege, die über Jahre angespannten Beziehungen zur BWK zu entspannen. Verträge über Umweltstandards stehen kurz vor der Unterschriftsreife, sagte Umweltstaatsrat Manfred Morgenstern gestern zur taz. „Ich erwarte, daß die BWK sehr bald unterschreibt.“ Bevor Konsequenzen aus dem Störfall gezogen werden, will er aber erst eine genaue Dokumentation der Ereignisse abwarten.

Unterdessen beschäftigt sich die Umweltkripo mit dem Fall. Schon am 31. Mai hat Robin Wood Strafanzeige gegen die BWK wegen grober Gewässerverschmutzung erstattet. Jochen Grabler

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