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Der Bulle im Mann

■ Nachrichten von einem Treffen schwere amerikanische Polizeimotorräder fahrender Männer und einiger mutmaßlicher Lesben

Hat Nigeria eine Küste? Falls ja, könnte wahr sein, was seit gestern als Gerücht in Hemelingen umgeht: daß die in einem neuen, aber nicht neu aussehenden Hemelinger Cafe ausgestellte alte Schrott-Harley-Davidson einmal Strandgut in Nigeria war. Nämliches Cafe, dessen Namen wir aus schleichwerberechtlichen Gründen und weil sie keine Anzeige geschaltet haben, nicht nennen, hatte am Samstag seine Zielgruppe eingeladen, die Harley Davidson-Fahrer. Ich und die Kaiserin mußten da natürlich gleich hin, auf dem Moped versteht sich. „Moped“ sagen alle Motorrad-Owner, die sehr große Maschinen besitzen, zum Beispiel Harley-Davidson-Owner, die sich manchmal aber auch „Lenker“ nennen.

Während ich und die Kaiserin das alte Spiel spielen, welche Frau ist eine Lesbe, wobei die Kaiserin natürlich immer gewinnt, weil sie auch Lesben erkennt, die es noch gar nicht wissen, rollt Hans-Achim B. aus Brake heran, ein Architekt, wie überhaupt in der Mehrzahl Architekten und Rechtsanwälte an diesem Nachmittag Hemelingen heimsuchen. Sofort fängt die Kaiserin an zu zanken, der käme aus Bramsche, dabei weiß niemand, wo Bramsche liegt.

Hans-Achim B. gehört zu den Motorradfahrern, die man ablehnen muß, Sportsfreunde! Die kaufen sich per Kreditkarte eine Harley von der Stange mit eingeschweißter Mythos-Garantie, kriegen nie schmutzige Finger, und die Lärmemission entspricht der ECE-Norm. Merke, Sportsfreund, wo drei Harleys mit 700 Touren durch eine Straße blubbern, müssen hinterher Risse in den Giebeln sichtbar sein! Für die entsprechenden TÜV-Gutachten gibt's eine Adresse in Ganderkesee, die ich gegen eine Schutzgebühr von DM 20.- rausrücke.

Leicht zu erraten ist, daß der Kauf von amerikanischen Polizeimotorrädern mit original Sirene und Police-Helm für Männer interessant ist, die ihren inneren Bullen von der Leine lassen wollen. Die sexuelle Konnotation liegt auf der Hand, besonders wenn ich an die beliebten „Chaps“ denke. Das sind lederne Hosen, die alles bedecken außer Geschlecht und Sitzfleisch. Chaps stammen, erklärt mir die Kaiserin, die stark auf Wildwestreiten fixiert ist, von den Cowboys, die sich immer wieder zwischen vollgeschissenen Rinder durchquetschen müssen. Klar, daß Chaps heute in der hocherotisierten Lesben- und Country-und-Western-Szene der Renner sind. Zu den nichtlesbischen Frauen auf Harley-Treffen muß gesagt werden, daß es wohl nirgendwo sonst in der westlichen Welt dermaßen schmucke Mädels gibt, die sich damit zufrieden geben, beinfreier und Spitzenbody tragender Schmuck zu sein für ihren kuhscheißebeschmierten Bullen.

Für Männer mit Baby-Face hält der Fachhandel High-Noon-Mäntel und SS-artige Reithosen bereit. Die Regel „je härter die Schale, desto weicher das Herz“ gilt auch bei Harley-Lenkern. Haben sie zu Hause in Brake oder Bramsche soeben noch ihren Feldsalat gegossen, knurren sie hier: „Go big or go home“. Dabei lugt aus jeder zweiten Lederjeans eine Nikon, was mich zu dem Gedanken führt, daß solche Treffen nur einen sehr geringen Wirklichkeitsgehalt diesseits der medialen Vermittlung haben. Real sind in Hemelingen die Risse in den Giebeln und die phantastischen Bäuche der Männer. In einer Welt, wo die Welt noch in Ordnung ist, macht ein Bauch keinen Kummer, sondern wird vorausgesetzt.

Ein lobendes Wort noch für die Band, deren Musik Cowboys am Lagerfeuer in ihrem Transitorradio suchen. Die Band heißt „Rocky Montana“ und spielt einen saftigen Rock 'n Roll und männerbündlerischen Country and Western. Ihr Sänger wirft pausenlos Worte ins Publikum wie „Sportsfreund“ oder „selbst schuld, dumm gelaufen“, die ich sofort in meinen Wortschatz übernehme. Auf dem Heimweg jage ich der Kaiserin zum Dank mehrere Sierra-Fahrer und einen latent schwulen Facharbeiter (Opel Omega, Bauhelm auf der Hutablage). Burkhard Straßmann

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