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Der Casa-Gatti-Coup des Dr. Kieselbach

■ Wie ein Bremer Hochschullehrer seine Genossen aus der gemeinsamen Toscana-Villa vertrieb

Es war einmal eine Toscana-Gemeinschaft, sechs Genossen, Wissenschaftler mit Universitätskarriere im Sinn, die wollten nicht nur gemeinsam die Welt radikal und sozialistisch verbessern, sondern auch für sich ganz privat eine Rückzugsmöglichkeit schaffen: Eine „Casa Gatti“, 15.000 Quadratmeter italienischen Bodens „in herrlicher Lage“ und mit Olivenbäumen bewachsen... Das war 1978. Am vergangenen Freitag standen die Reste der Gemeinschaft erbittert verfeindet vor Gericht. „Lieber Thomas, wir waren einmal befreundet...“ versuchte Kultur-Professor E. Jung an ein moralisches Minimum aus alten Zeiten anzuknüpfen. Der „Thomas“, der Bremer Psychologe Dr. Thomas Kieselbach, derzeit Gastprofessor in Hannover, ist verhärtet: Der Streit um die Villa Gatti hat alles kaputt gemacht. „Du hast dich sozial unmöglich gemacht“, schleudert der Kunst-Professor dem Psychologen entgegen. Das ist keine Drohung mehr, es ist alles zu spät.

Denn 1991 kam alles so: Die Familie Jung wollte in die Villa Gatti in Urlaub fahren. Das war im „Hausbelegungsplan“ angemeldet, die Freunde wußten davon, auch „Thomas“, die Kinder freuten sich schon, ihnen war die Villa zur zweiten Heimat geworden. Da kam am 13.5.1992 ein Brief: Villa Gatti ist verkauft, der „liebe Thomas“ hat sie an seinen Bruder Ulrich Kieselbach verkauft, zum Preis von 1978: 50.000 Mark. Der Bruder verzichtete auf den Kaufpreisanteil von Thomas und räumte ihm unentgeltliches, lebenslanges Nutzungsrecht ein – ein klarer Fall von innerfamilären Handel, ein „Scheingeschäft“, sagen die Geprellten. Aus der Traum vom Urlaub und vom gemeinsamen Toscana-Haus für alle anderen.

„Das war nicht korrekt“, sagte am Freitag Richter Bölling mit strengem pädagogischen Tonfall. Doch der beklagte Dr. Kieselbach, wissenschaftlich engagiert für Langzeitarbeitslose, sitzt uneinsichtig auf der harten Bank. Seine Rechtfertigungsgründe – daß er mit einer der beteiligten Personen nicht mehr konnte – „tut nichts zur Sache“, meinte der Richter. Dafür gibt es im bürgerlichen Recht andere Wege der Konfliktaustragung.

Der Coup war rein rechtlich möglich gewesen, weil die Besitzverhältnisse an der Villa Gatti hin und wieder gewechselt hatten, im italienischen Grundbuch aber noch die drei standen, die 1978 dort unterschrieben hatten – unter ihnen eben auch Dr. Kieselbach. „Dieter“ hatte 1981 an „Detlev“ und „Anne“ verkauft, „Volker“ und „Peter“ verkauften 1982 ihre Anteile an „Eberhard“ und „Cornelie“, und so weiter, wie das so ist – alles mit Protokoll informell vereinbart. 1990 hatten die damaligen Besitzer das Gefühl, sie sollten die Grundbucheintragung korrigieren lassen – Thomas Kieselbach meinte daraufhin in der Gruppenbesprechung, das schaffe nur unnötig Notars-Kosten und die alten Genossen würden ihr formelles Besitzrecht schon nicht mißbrauchen.

Sie taten das auch nicht – ihm allerdings muß dies damals schon im Kopf herumgegangen sein, und das finden die enteigneten Toscana-Freude besonders „ekelhaft“ und „fies“. Er habe sich rechtlich gut beraten, räumte Dr. Kieselbach vor Gericht ein, erst ein italienisches Wertgutachten bestellt, dann war er mit der Unterschrift der beiden alten Freunde, die seit Jahren ausgestiegen und in der Republik verstreut zu akademischen Würden gekommen waren, zum Notar gegangen. Monatelang behielt er den Vorgang für sich, telefonierte, wenn es sein mußte, nett mit den Toscana-Freunden, erfuhr von deren Urlaubsplänen – bis alles perfekt und im Grundbuch eingetragen war. Die Anteile an dem Kaufpreis von 50.000 Mark überwies er dann korrekt an die betrogenen Freunde.

Nach italienischem Recht, so mußten die erfahren, war der Coup nicht rückgängig zu machen. Nach deutschem Recht gab es nur die Möglichkeit, vor dem Zivilgericht den Kaufpreis anzufechten. Das war Verhandlungsgegenstand am vergangenen Freitag vor dem Bremer Landgericht. Vergeblich appellierten die Freunde an Dr. Kieselbach, ihnen gehe es doch eigentlich um die Casa, die umstrittene Person sei bereit, auf ihr Besuchsrecht dort zu verzichten. Kieselbach sah kein Zurück mehr. Unter den strengen Mahnungen des Richters stimmte er schließlich einem Kaufpreis von 110.000 Mark zu – unter Protesten und nur, um eine Verlängerung des peinlichen Verfahrens zu vermeiden.

K.W.

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