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Schwierigkeiten mit dem richtigen Etikett

Bei der Unternehmensansiedlung und der Berlin-Werbung ist der Senat gleichermaßen orientierungslos / Trotz gestiegener Werbeausgaben kommen immer weniger Betriebe in die Stadt  ■ Von Hannes Koch

„Sofortige Zusammenlegung in interaktionsfähige Gruppen“ fordert die kritische Öffentlichkeit, wenn es um die Abschaffung der Isolationshaft für Gefangene der Roten Armee Fraktion geht. Otto Hoffmann, wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses, macht sich diese Forderung zu eigen. Um die Außendarstellung Berlins zu verbessern, möchte er die in diesen Bereichen tätigen Institutionen zu einer großen Gesellschaft zusammenlegen. „Man muß darüber nachdenken, die Gesellschaft für Hauptstadtmarketing, die Tourismus GmbH und die Wirtschaftsförderung zusammenzufügen.“

Die Zeit ist nach Hoffmanns Meinung günstig, den institutionellen Wildwuchs zu lichten. Rückenwind verschafft ihm das kürzlich bekanntgewordene Gutachten des Wirtschaftsberaters Roland Berger, der ein vernichtendes Urteil über die Arbeit der Wirtschaftsförderung Berlin GmbH (WFB) fällt. Die Gesellschaft – zu sechzig Prozent im Besitz des Landes Berlin – habe ihre Ausgaben 1993 um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert, aber fünfzig Prozent weniger Unternehmen bei der Ansiedlung in Berlin oder dem Erhalt ihres hiesigen Standortes unterstützt.

Unter den 112 geförderten Projekten dürften zudem noch einige sein, deren Erfolg nicht nur auf die Tätigkeit der Wirtschaftsförderung, sondern auch anderer Institutionen zurückzuführen ist. Mit 10.442 seien im vergangenen Jahr über 3.000 Arbeitsplätze weniger als 1992 gesichert oder geschaffen worden. Die Gutachter erteilten der WFB die Note „mangelhaft“, worauf Geschäftsführer Peter Weichardt seinen Hut nehmen mußte und übergangsweise von Wirtschaftsstaatssekretär Hans Heuer ersetzt wurde.

Das Büro Roland Berger kritisiert vor allem, daß „als Leitbild für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsförderung eine konkrete Vision für die Stadt Berlin fehlt“. Der WFB sei es nicht gelungen, ein zugkräftiges „Etikett“ zu entwickeln, um die Vorzüge der Hauptstadt anzupreisen.

Die Wirtschaftsförderer schwankten haltlos zwischen Begriffen wie „Dienstleistungsmetropole, Wissenschaftsmetropole, Medienzentrum“, ohne die tatsächlich vorhandenen Schwerpunkte des Wirtschaftslebens zu berücksichtigen.

Nach Meinung des wirtschaftspolitischen Sprechers der SPD- Fraktion, Klaus Riebschläger, trifft diese Kritik zu: „Die Orientierungslosigkeit nach der Wiedervereinigung konnte nicht überwunden werden.“ Nach dem richtigen Werbeslogan befragt, nennt Riebschläger, wie im übrigen auch die Industrie- und Handelskammer, „Berlin als Wissenschaftsstandort und Drehscheibe zwischen Ost und West“.

Genau diese Merkmale habe die WFB aber ebenfalls ins Zentrum ihrer Arbeit gestellt, kontert deren Sprecher Folker Flasse, der das schlechte Ergebnis des Jahres 1993 in erster Linie auf die Strukturprobleme der Berliner Wirtschaftsunternehmen und die rückläufige Konjunktur zurückführt.

Als weiteren Kritikpunkt sieht das Büro Berger, daß „die notwendige Koordination und Zusammenarbeit“ der WFB mit anderen Institutionen der Wirtschaftsförderung „nicht ausreichend funktioniert“. Dieser Mangel liegt jedoch nicht nur in der Verantwortlichkeit der WFB, denn nahezu ein Dutzend Organisationen tummeln sich heutzutage im Auftrag des Senats oder der Wirtschaft im Bereich Marketing und Wirtschaftsförderung. „Die Unternehmen werden manchmal von Pontius zu Pilatus geschickt“, meint denn auch die Wirtschaftsspezialistin von Bündnis 90/Die Grünen, Michaele Schreyer. Sie fordert deshalb einen beim Senat angesiedelten first stop, eine Zentralstelle, die bei allen entsprechenden Fragen als erster Ansprechpartner dient.

Ähnliche Interessen verfolgt der FDP-Politiker Otto Hoffmann. Mit einem Unterschied: Er will die Aktivitäten in einer von der öffentlichen Verwaltung getrennten Gesellschaft unterbringen. Hoffmann bemängelt, daß heute die Senatsverwaltung für Wirtschaft, die Landesentwicklungsgesellschaft und die Wirtschaftsförderung Berlin sich gegenseitig Konkurrenz machten, wenn es um die Anwerbung von Unternehmen gehe. „Die Ansiedlungspolitik muß straff koordiniert werden.“ Dabei will Hoffmann den großen Wurf landen und auch gleich die Bereiche Hauptstadtmarketing und Tourismus integrieren. Begründung: Die werbemäßige Vermarktung der Stadt sei eine Voraussetzung für Wirtschaftsförderung und Tourismus und könne sinnvoll nur in Zusammenarbeit der drei Bereiche entwickelt werden.

Derweil versucht der Senat in Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsverbänden, drei eigenständige Schwerpunkte zu bilden. Die Gesellschaft für Hauptstadtmarketing soll mit Werbekampagnen ein gefälliges Berlin-Image kreieren, den Wirtschaftsstandort anpreisen und das Selbstbewußtsein der Berliner Bevölkerung heben. Die Berlin Tourismus Marketing ist für die auswärtigen BesucherInnen zuständig und die Wirtschaftsförderung Berlin GmbH wie gehabt für die Unterstützung der Unternehmen.

„Die WFB bleibt weiter eigenständig“, beeilt sich Holger Hübner, Sprecher von Wirtschaftssenator Meisner (SPD), zu versichern. Das bedeutet allerdings auch, daß die schon lange geplante Fusion mit der Wirtschaftsförderung des Landes Brandenburg erst in einigen Jahren verwirklicht wird. Folge: Die beiden Länder und ihre Kommunen werden sich weiterhin Konkurrenz machen bei der Jagd nach Firmenansiedlungen.

Schon heute belasten oft empfindliche Kosten die öffentlichen Kassen, weil brandenburgische Kommunen und Berlin sich gegenseitig mit billigen Grundstücksangeboten und hohen Subventionen ausstechen, um Investoren zu ködern.

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