piwik no script img

"Halt mein Freund ..."

■ Mit dem HB-Männchen durch die Wirtschaftswunderjahre

Nie geht es gut aus, wenn sich Bruno nach getaner Arbeit mal einen gemütlichen Abend machen will. Kaum sitzt das HB-Männchen genüßlich in der Badewanne, schellt selbstverständlich das Telefon, das Schlauchboot im Ibiza-Urlaub hat garantiert ein Loch, und auch der Diaabend endet natürlich in einer Katastrophe. Aber halt! All das müßte ja gar nicht so sein: Denn würde Bruno auf den Zigarettenkönig hören und sich eine HB anstecken, ginge garantiert „alles wie von selbst“.

Wie weiland die Ariel-Klementine hat auch das HB-Männchen „Bruno“ Werbegeschichte gemacht. Ab 1957 vermittelte der stets nervöse Junggeselle den Nachkriegsdeutschen im Kino, im Fernsehen und auf Plakatwänden, daß der Rauch einer HB-Zigarette nicht etwa Krebs, sondern allein Harmonie erzeugt. In den 27 Jahren seines Wirkens spiegelte die von Roland Töpfer erfundene Animationsfigur den gesellschaftlichen Fortgang der jungen Republik: Was immer in Mode kam, probierte Bruno natürlich aus – und kämpfte auf die ihm eigene Art mit der Tücke des Objekts. Er machte die Reise- und die Heimwerkerwelle mit, mähte seinen Rasen bald elektrisch und schlief schlecht im neuen hydraulischen Klappbett. Er ging mal tauchen, mal surfen – und am Ende immer in die Luft.

Bevor HB seine Zigarette erfolgreich mit dem dicknasigen Bruno bewarb, hatte man mit diversen Schauspielern experimentiert. Aber schon bald mußte Roland Töpfer erkennen, daß sich das strichgezeichnete Stehaufmännchen – ursprünglich nur für das Fernsehen erfunden – viel besser vermarkten ließ als der glatzköpfige Bürovorsteher mit dem bedenklichen Hang zum Kreislaufkollaps. Und so lachten Generationen von Rauchern über den hektischen Loser, der nicht so altklug wie Klementine daherkam. Im Gegenteil: Immer allein mit sich und seinen Pechsträhnen passierte Bruno all das, was auch dem noch technikunerfahrenen Otto Normalverbraucher widerfuhr.

Sechs Wochen arbeiteten Töpfer und sein bis zu 20köpfiges Team an einem HB-Streifen. Seine unverwechselbar brabbelnde Stimme lieh sich Bruno von einem zufällig gefundenen Tonband. Die arabischen O-Töne wurden einfach in drei Geschwindigkeiten rückwärts abgespielt.

Als die Nachkriegsraucher aber langsam in die Jahre kamen und die nachwachsenden Konsumenten mit der Waschanlage und der Bohrmaschine umzugehen wußten, verkam der liebenswerte Zeitgenosse allmählich zum unverbesserlichen Loser. Die sich verjüngende Zielgruppe lachte zwar immer noch gerne über das HB- Männchen, aber dabei zogen die jungen Leute lieber an einer der markigen Cowboy-Zigaretten. Die alten HB-Raucher wurden derweil vernünftig und lebten zunehmend abstinent – die Markenzigarette drohte zu vergreisen. 1984 mußte sich der ehemalige Branchenführer HB dringend ein neues Image zulegen. Kurzerhand wurde Bruno nach fast 30 Dienstjahren in Rente geschickt. Die neue Linie hieß nun „... offen für“ und wurde mit einem lässigen Yuppie verkauft. Der Werbespruch „Greif lieber zur HB, dann geht alles wie von selbst“ bleibt aber – auch wenn die Werberichtlinien solche „Wirkungsversprechen“ heute untersagen – das Credo aller Nikotinabhängigen. Für sie und alle, die noch süchtig werden wollen, gibt's jetzt die besten HB-Spots auf Video. Und Trickzeichner Roland Töpfer erinnert sich, wie Bruno wurde, was er ist: ein heldisches Denkmal des alltäglichen Streß-Genusses. klab

„Halt, mein Freund – Das HB- Männchen-Video“, Tacker Film, Köln (0221-2571364), 29,90 Mark

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen