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"Es ist der Sieg der jemenitischen Einheit"

■ Saleh will Regierung der nationalen Einheit bilden / Welche Rolle für die Sozialistische Partei? / Einfluß der Islamisten

Amman (taz) – „Der Krieg ist zu Ende“, hatte es am Donnerstag in einer Erklärung der Regierung in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa geheißen. Doch am Wochenende rückten die Truppen des Nordens nach Angaben eines Regierungssprechers weiter vor und eroberten die „letzte Bastion“ des Südens, die Stadt Eln Ghajdah im Osten des Landes. Der Generalsekretär der südjemenitischen Sozialistischen Partei Jemens (YSP), Ali Salim Al-Beid, flüchtete in das Sultanat Oman, sein Stellvertreter Adbel Rahman Al-Gafri und mehrere Mitarbeiter setzten sich nach Saudi-Arabien ab. Der Krieg zwischen Nord- und Südjemen war Anfang Mai ausgebrochen, nachdem sich der Süden vier Jahre nach der Wiedervereinigung für unabhängig erklärt hatte.

Die Regierung in Sanaa hat es bisher vermieden, triumphierende Töne anzuschlagen. „Es ist ein Sieg aller Jemeniten. Es ist der Sieg der jemenitischen Einheit“, lautet denn auch die offizielle Sprachregelung für den Sieg des Nordens. Der jemenitische Präsident Ali Abdallah Saleh wies Soldaten und Funktionäre, die in den Süden delegiert wurden, an, keine Racheakte zu begehen und der Bevölkerung mit Toleranz zu begegnen. In einem Brief an UNO-Generalsekretär Butros Butros Ghali sicherte die Regierung in Sanaa zu, sie werde Demokratie und Pluralismus respektieren und gute Beziehungen zu den Nachbarn wahren.

Aber die Regierung in Sanna steht nach dem militärischen Sieg nun vor neuen Problemen. Erste Priorität ist die Herstellung der inneren Stabilität und Einheit des Regimes. „Wir werden eine Regierung der nationalen Einheit bilden, an der alle politischen Kräfte und Provinzen beteiligt werden“, kündigte Abdul Karim Al-Iryani, der Planungs- und Entwicklungsminister, an. Gut informierte Kreise rechnen damit, daß Al-Iryani neuer Premierminister werden könnte. Er unterhält unter anderem gute Beziehungen zu einigen einflußreichen YSP-Politikern.

Das Kernproblem bei der Bildung einer neuen Regierung ist die Rolle der YSP. Die Regierung in Sanaa hat erklärt, daß die Sozialisten ihre politischen Aktivitäten fortsetzen können. Nur der geflohene Generalsekretär Al-Beid sowie fünfzehn weitere Politiker aus dem Süden müßten vor Gericht gestellt werden, um wegen ihrer „Verbrechen“ verurteilt zu werden. Demgegenüber hieß es in einer Erklärung von Al-Iryani, daß auch diese Politiker unter die angekündigte Generalamnestie fallen.

Nach Auffassung vieler politischer Beoachter hat jetzt die Stunde des ehemaligen YSP-Generalsekretärs Ali Nasser Mohammed geschlagen. Mohammed war im Jahre 1986 in einem blutigen internen Machtkampf unterlegen und floh mit Tausenden von Anhängern in den Norden. Nach der Wiedervereinigung ließ Mohammed sich in der syrischen Hauptstadt Damaskus nieder. Diplomatische Kreise in Sanaa gehen davon aus, daß die Anhänger der früheren YSP-Führung eine wichtige Rolle bei dem jetzigen Sieg des Nordens gespielt haben, unter anderem als kundige Führer der nordjemenitischen Truppen. Nun wird darüber spekuliert, ob Mohammed, der in einigen südlichen Provinzen noch einen starken Einfluß hat, stellvertretender Präsident werden könnte.

Offen ist auch die künftige Rolle der nordjemenitischen „Versammlung für Reform“ um Scheich Abdallah Al-Ahmar. Die „Versammlung“ ist nach dem „Volkskongreß“ von Präsident Saleh die stärkste Partei und wird vor allem von dem größten der jemenitischen Stämme, den Hasched, unterstützt, von denen auch Saleh selbst abstammt. Die „Versammlung“ stellte sich im jüngsten Krieg hinter den Präsidenten und erwartet nun eine Belohnung. Viele jemenitische Politiker befürchten einen größeren politischen Einfluß der „Versammlung“, in der die Islamisten eine wichtige Rolle spielen.

„Der Kampf ist noch nicht zu Ende“, erklärte unterdessen der geflüchtete stellvertretende Präsident des Südens, Al-Gafri, im saudischen Jiddah. „Wir werden kämpfen, bis wir unser Land befreit haben.“ Haidar Al-Atas, Ministerpräsident des Südens, gab bekannt, daß über die Bildung einer Exilregierung beraten werde. Die geflohenen Politiker hoffen auf finanzielle und militärische Hilfe von Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten, denen der nordjemenitische Sieg nicht gelegen kommt. Die Vereinigung der beiden jemenitischen Staaten hatte zu einer innenpolitischen Debatte über Mehrparteiensystem und Pressefreiheit geführt, was jenseits der Grenzen mit äußerstem Mißtrauen verfolgt worden war. Saudi-Arabien und Kuwait hatten zudem im jüngsten Bürgerkrieg auf einen Sieg des Südens gehofft, da der Norden im Golfkrieg den Irak unterstützt hatte.

„Wenn Saudi-Arabien die Separatisten unterstützt, um über die Grenze hinweg einen Krieg gegen uns zu führen, dann wird es ein Spiel mit dem Feuer sein“, meint ein jemenitischer Regierungsbeamter in Sanaa. „Aber wir warnen die Saudis und alle anderen: das Feuer wird nicht nur uns verbrennen, sondern sie auch.“ Khalil Abied

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