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2 Jahre für „Überfall“ auf Neonazis

■ Mainzer Gericht wertete Auseinandersetzung mit Neonazis als schweren Landfriedensbruch / Umstrittene Indizien

Mainz (taz) – Zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilte jetzt das Mainzer Landgericht einen 29jährigen Antifaschisten. Gunther S. soll zusammen mit etwa 20 Vermummten bei einem Treffen der verbotenen rechtsextremen „Deutschen Alternative“ mehrere Neonazis angegriffen und leicht verletzt haben. Die Scheiben von zwei Autos gingen dabei zu Bruch. Wiedererkannt hat ihn anschließend niemand. Einziges Indiz gegen S.: mehrere Glassplitter, die laut Sachverständigem durchaus, aber nicht zwingend von den Scheiben der beschädigten Pkws stammen könnten.

Am 6. Januar 1993 trafen sich am Mainzer Rheinufer acht einschlägig bekannte Rechtsextremisten, um zum regelmäßig stattfindenden Kameradschaftsabend in der Mainzer Gärtnerei Müller zu fahren. Laut Anklageschrift wurden die Neonazis überfallartig angegriffen. Dabei wurden einige von ihnen leicht verletzt. Obwohl es laut Einsatzprotokoll keine „gezielten Fahndungsmaßnahmen“ gegeben hatte, wurde Gunther S. dreieinhalb Stunden später festgenommen. Ihm wurde die Beteiligung an dem „Überfall“, den selbst das Landesamt für Verfassungsschutz in seinem Jahresbericht als beiderseitige „Auseinandersetzung“ einordnete, vorgeworfen. S. wanderte in Untersuchungshaft. Im Februar 1993 verwarf Richter Jungbluth vom Mainzer Landgericht eine Haftbeschwerde. Der Beschuldigte sei „Mitglied einer sich antinational-sozialistisch bezeichnenden Gruppe“. Die Fluchtgefahr werde dadurch verstärkt, daß er „als Mitglied der sogenannten autonomen Szene jederzeit in den Untergrund abtauchen“ könne. Erst nach fünf Monaten Untersuchungshaft wurde S. Ende Mai 1993 entlassen.

Fast ein Jahr später begann unter starken Sicherheitsvorkehrungen der Prozeß unter Vorsitz von Jungbluth. Die von S.' Verteidiger gestellten Befangenheitsanträge gegen den Richter, begründet mit der Ablehnung der Haftbeschwerde, wurden abgelehnt. Da keiner der Beteiligten den Angeklagten als Mittäter identifizieren konnte, stützte sich die Staatsanwaltschaft nur auf Glassplitter, die in S.' Auto und an seiner Kleidung gefunden worden waren. Doch auch diese konnte der Sachverständige des BKA nicht eindeutig den beschädigten Autos zuordnen. Von 88 gefundenen Splittern mit der Kantenlänge von etwa 0,5 Millimetern bestätigte der Gutachter lediglich bei 19 eine Vergleichbarkeit.

Nach elf Verhandlungstagen kam das Landgericht trotzdem zu der Überzeugung, S. sei bei dem Vorfall dabeigewesen. Strafmildernd wertete Richter Jungbluth zwar den geringen Sachschaden und die geringe Körperverletzung. Strafverschärfend fielen aber das „geplante profihafte Vorgehen“ des Angeklagten sowie seine fehlende Distanzierung von dem Geschehen ins Gewicht. S. geht in Revision. Bs

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