: Kunstgenuß an Kükenragout
■ Wilhelm Hauffs „Phantasien im Ratskeller“ sind demnächst als Bühnenspektakel zu erleben/ Futter für die Bremer Sommergäste
Da haben sich die Richtigen zusammengerauft: Die Mimen des ehem. „Theatre du Pain“, mit ihrem Herz fürs Verschrobene, und Wilhelm Hauff, der alte Märchenonkel und Zecher. Dessen weinselig-rauschumwölkten „Phantasien im Bremer Ratskeller“ sind demnächst in dramatisierter Form zu erleben. Und zwar in einem Rahmen, der für freie Produktionen staunenswert ist: Das Wirtschaftsressort deckt den Großteil der Kosten, da man sich von dem Märchenstück eine Belebung der sommerlich ermatteten Kulturszene verspricht. Ab 24. Juli spielt die Geistergeschichte in der Unteren Rathaushalle; es folgen dann praktisch täglich 20 weitere Vorstellungen.
Geister, Faune und Herr Bacchus selbst sollen dabei lustvoll durch die Hallen toben. Regisseur Stefan Schönfeld und Schreiber Hans König setzen auf das „dramatische Potential“ der Geschichte und deren „anekdotische Qualitäten“. Die Kostprobe zur mitternächtlichen Pressekonferenz schmeckte schon mal lecker und schön deftig. Um das Gelage anzurichten, hat sich eine allerdings erstaunliche Allianz zusammengetan. Unter dem Projektnamen „Rolands Theaterwerft“ mischen neben dem „Theatre du Pain“ noch Freischaffende vom MOKS bis zum Jungen Theater mit; um die Bezahlung sorgte sich der rührige Hans-August Kruse mit seiner „Gesellschaft für Kulturmanagement“. Und siehe: Wo andere freie Gruppen ziemlich vergebens anklopfen, ward Kruse auch diesmal aufgetan. Die Produktionskosten („zwischen 120.000 und 130.000 Mark“) läpperte er u.a. bei Jakobsetc., dem Maritim und der Sparkasse zusammen. Das Wirtschaftsressort sei mit 73.000 Mark dabei, nachdem es unlängst Kruses mäßig erfolgreichen New-York-Ausflug mit dem Musical „Casting“ unterstützt hatte. Im Ressort nennt man andere Zahlen: „Bis zu 144.000 Mark“ will man zahlen, je nach Abschluß. Vorerst wird mit etwa 2.300 zahlenden Gästen gerechnet, auch von außerhalb, als „Angebot für die Bremen-Besucher“, wie Wirtschaftssenator Claus Jäger hofft.
Dieser gehobene Mitteleinsatz erfordert nun freilich mehr als bloß einen gelungenen Theaterabend. Um den Ereigniswert nochmals drastisch zu steigern, können die ganz Erlebnishungrigen unter den Gästen ein Kombiticket erwerben: Für DM 68.- (statt 22 bzw. 18 Mark fürs bare Stück) dürfen die Connaisseure anschließend in den Ratskeller umziehen, um bei einem Drei-Gänge-Menü (inkl. des historischen Bremer Kükenragouts) den Kulturgenuß zu verdauen. tom
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