piwik no script img

Maler–Kolonne MEK

■ Hafenstraße: 200 Polizisten waren drei Stunden im Einsatz, um drei Worte zu übertünchen Von K. v. Appen

Um drei Worte der neuen Hafenstraßen-Parole „Die BRD mordet + foltert – mit Waffen in Kurdistan – mit Bullenkugeln in Hannover“ zu übermalen, ließ die Polizei gestern 200 PolizistInnen aufmarschieren. Doch der dreistündige Einsatz glich entgegen früherer Kampfszenen eher einem Happening mit Kabarettcharakter.

Fast teilnahmslos nahmen die BewohnerInnen zur Kenntnis, daß die Feuerwehr im Schutz der Polizei gegen 9.30 Uhr einen Drehleiterwagen vor ihren Häusern in Position brachte. Grund der Aktion: Die Parole sei strafbar, weil die Bundesrepublik verunglimpft werde. Polizeisprecher Werner Jantosch: „Die Straftat soll durch Übermalen beendet werden.“ Kaum ließen sich jedoch zwei behelmte MEK-Beamte mit Pinsel und Farbe emporhieven, da setzten die Hafensträßler ihren hauseigenen Gartenschlauch-Wasserwerfer aus einem Giebelfenster ein. Und damit nicht genug: Von der Dachterrasse gossen sie überdies einen Eimer mit weißer Farbe auf die Beamten. Als dann die schwarze Farbe auch noch mit Wasser weggespritzt werden konnte, so daß die Parole wieder zum Vorschein kam – wasserfeste Farbe war wohl im Polizei-Etat nicht vorgesehen -, zog sich die Polizei zunächst zurück. Einzige Beute: Eine auf dem Dach installierte Kurdenfahne.

Nach einer Stunde war ein neuer Schlachtplan ausgearbeitet, der erneuteAufmarsch begann. Während Polizisten die BewohnerInnen vor den Häusern in Schach hielten, brachen ihre Kollegen mit Rammbock, Flex und Kettensäge die Haustür zum Haus 116 auf. Dann setzte der Einsatzzug Mitte – nach der Gänsemarkt Randale auch als „Kommando Jörg Haider“ bekannt - zum Sturm an. Das Treppenhaus wurde besetzt - um weitere Wasserattacken aus den Fenstern zu verhindern. Obwohl die BewohnerInnen einigen Journalisten ausdrücklich den Zutritt gewähren wollten, ließ die Polizei keine Zeugen ins Haus.

Kurz darauf hatte das MEK seinen zweiten großen Malauftritt – diesmal mit wasserfester Farbe. Beim Rückzug beschlagnahmte die Polizei noch einen Gartenschlauch sowie zwei Kurdenfähnchen aus Papier. „Festgenommen wurde niemand und durchsucht haben sie nichts“, so das Resümee der Hafensträßler. Nur die Worte „BRD foltert + mordet“ wurden übermalt, der Rest der Parole blieb stehen.

An der Roten Flora war die Polizei am Nachmittag gründlicher. Dort prangt nach einem Blitzeinsatz nur noch das Datum „30.6.“ – der Rest: „Türkisches Militär und deutsche Polizei dieselbe Mörderbande“ verschwand unter schwarzer Farbe.

Stadtentwicklungssenator Thomas Mirow bedauerte gestern, daß die Hafensträßler nicht den Unterschied zwischen freier Meinungsäußerung und strafrechtlich relevanten Behauptungen kennen würden. GALierin Susanne Uhl konterte belesen: „Eine Hundertschaft verteidigt den Staat gegen das, was die Spiegel–Leserin ohnehin weiß: Deutsche Waffen morden in Kurdistan.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen