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Meteorit geht, Komet kommt

■ Meteorit aus Sternwarte gestohlen / Zusammenhang mit dem "Jahrhundertereignis" am Samstag, wenn der Komet Shoemaker-Levy 9 mit Jupiter kollidiert?

In der Nacht von Sonntag auf Montag wurde in der Bruno- H.-Bürgel-Sternwarte in Spandau eins der wertvollsten Ausstellungsstücke gestohlen. Bei dem Einbruch, bei dem unbekannte Täter Vorführprojektoren und ein teures Vermessungsgerät entwendet haben, wurde ein Meteorit samt den damaligen Original-Presseberichten geklaut. Der Meteor war 1919 im Spandauer Falkenhagener Feld niedergegangen und von Wissenschaftlern zu Untersuchungszwecken in die Sternwarte auf dem Potsdamer Telegrafenberg gebracht worden. Dort verlor sich seine Spur wie eine Sternschnuppe im Weltall.

Glücklicherweise entdeckte der damalige Finder noch einen erbsengroßen Meteoriten, den er der Sternwarte schenkte. Das Liebhaberstück hat immerhin einen Wert von etwa 20.000 Mark. Für Günter Mekas, Vorstandsvorsitzender der Sternwarte, ist der „ideelle Verlust“ des Meteoriten im Vergleich zu den Geräten unersetzbar, da er vom Berliner Himmel gefallen war. Mit viel Glück kann Mekas am Samstag eine andere Attraktion in seiner Sternwarte bestaunen, wenn gegen 21 Uhr der Komet Shoemaker-Levy 9 auf Kollisionsbahn mit dem Jupiter gerät. Weil der Komet dem Jupiter zu nahe gekommen war, zerbröckelte er im Juli 1992 in 21 Bruchstücke, die jetzt, nach zwei Jahren Umlauf, in die Gashülle des Jupiters stürzen. Mekas hofft, „vielleicht etwas Spektakuläres“ wie Lichtblitze oder Fleckenbilder zu sehen. Da man eben nicht sagen könne, was genau zu sehen sein wird, sei dieses „Jahrhundertereignis“ so interessant. Jedenfalls ist Mekas zuversichtlich, etwas am Himmel sehen zu können.

Da ist der Direktor der Archenhold-Sternwarte im Treptower Park, der größten und ältesten Deutschlands, ganz anderer Meinung. Obwohl das Riesenfernrohr des 1987 eröffneten Zeiss-Großplanetariums mit einem Linsendurchmesser von 68 Zentimetern und einer Länge von 21 Metern das längste der Welt ist, ist Dieter Herrmann überzeugt, daß in hiesigen Sternwarten mit Sicherheit nichts zu sehen sein wird. Grund: Die Kollision wird auf der erdabgewandten Nachtseite des Planeten stattfinden.

Da er die Besucher nicht mit falschen Versprechungen enttäuschen will, wird es in seinem Haus am Samstag um 15 Uhr lediglich eine Führung unter dem Motto „Feuerwerk auf Jupiter“ geben. Wem das „Jahrhundertereignis“ (Stern)schnuppe ist, kann 20 Uhr Musik unterm Sternenhimmel hören: Vivaldis „Vier Jahreszeiten“.

Ohne Erfolgsgarantie können Sternengucker am Samstag abend in die Wilhelm-Foerster-Sternwarte gehen. Bevor der von Astronomen für 21.53 Uhr berechnete Einschlag des ersten Bruchstücks zu sehen sein wird – oder nicht –, gibt es auf dem Gipfel des 75 Meter hohen Insulaners um 17 und 20 Uhr Vorträge zur „Jupiterkatastrophe“. Der wissenschaftliche Leiter Jochen Rose kann nicht versprechen, ob sich ein Besuch lohnt, da man die Zusammensetzung des Kometen nicht kenne. So wisse man auch nicht, ob es eine heftige Explosion geben werde, die viel Materie nach oben schleudert, oder ob nur Teilchen in die Wolkenoberfläche verteilt werden.

Trotzdem glaubt Rose, daß der Komet „offensichtlich sehr locker“ ist. Das hieße, daß in hiesigen Sternwarten nicht viel zu sehen sein wird. Trotzdem freut er sich über das „unwiederholbare Experiment“, das nach seinen Worten mit irdischer Technik gar nicht machbar wäre. Wenn das Ereignis keine Sternstunde werden sollte, kann man sich auf dem Insulaner immerhin eine von der Nasa erstellte Computersimulation des Ereignisses ansehen.

Die Diebe unterdes sollten statt Löcher in den Himmel zu starren, tief in sich gehen und das gestohlene Himmelsgestein zurückgeben. Günter Mekas von der Bürgel-Sternwarte verspricht den reuigen Dieben zwar keine Sterne vom Himmel, wohl aber ein irdisches Buch freier Wahl aus der Sternwarte. Barbara Bollwahn

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