: Urwald, Kälte, Oper, Raki
Was sind das denn für Länder, die da heute im Halbfinale kicken? Ein kleines Bildungsseminar ■ von Horst Evers
Größe, Bevölkerung und Topographie: Der Italiener lebt in einem 301.225 Quadratkilometer großen Stiefel. Der Italiener hat viele Berge und noch mehr Küste. Grundsätzlich spricht der Italiener italienisch, an der Küste jedoch spricht man deutsch. Der Italiener hat ein Problem mit seiner Sprechstimme, die nur als hektisches Kauderwelsch zu vernehmen ist. Deshalb singt er meistens (z.B. Opern). Der männliche Italiener gilt als großer Liebhaber, weil er viele Haare auf der Brust hat. Ist der Italiener eine Frau, ist er in jungen Jahren immer wunderschön und wird im Alter weise oder eigenartig.
Politische Kultur und Geschichte: Weil der Italiener dauernd neu wählen muß, interessiert er sich nicht für Politik und überläßt die Staatsgeschäfte der Mafia. Im Moment wird der Italiener wie eine Gameshow regiert. Der Italiener ist extrem katholisch, deshalb hat er in seinem Staat auch noch einen Staat, wo der Papst regiert. Früher, als der Ialiener noch Römer hieß, war er eine Weltmacht, zumindest in Europa. Doch diese Weltmacht mußte zerbrechen wegen der Sprache: Lateinisch. Heute ist Rom einfach nur noch die schönste Stadt Europas mit der meisten Geschichte überhaupt. Der Berliner ist ja sehr stolz auf sein Brandenburger Tor und meint, daß das wunders was wäre und man das überall raufdrucken müsse. Über so was kann der Römer nur lachen. So was wie das Brandenburger Tor steht bei ihm nämlich in jedem zweiten Hinterhof, nur noch viel größer und schöner. Jaja, so ist er, der Italiener ...
(siehe auch: alter S.)
Größe, Bevölkerung, Klima: Der Schwede ist in der Regel blond, kernig und kräftig. Und das ist auch gut so, denn das Klima in Schweden ist äußerst rauh, so daß man dort eigentlich permanent erkältet ist. In Schweden gibt es, wie in Deutschland, das schöne Sprichwort: „Die Nacht zum Tag machen“. Während der Schwede mit seiner Mittsommernacht hierbei wenigstens einmal im Jahr erfolgreich ist, ist der Deutsche in dieser Beziehung doch ein Maulheld.
Wirtschaft: Des Schweden liebste Freizeitbeschäftigung ist das Puzzeln. Da jedoch seine Hände sehr groß sind, sind auch seine Puzzleteile riesig und aus Holz. Ein fertiges Puzzle nennt der Schwede Möbel. Der größte Puzzlefabrikant in Schweden heißt Ikea. Weitere wichtige Wirtschaftszweige sind die Elchmastbetriebe und die Nobelpreisindustrie.
Kultur und Geschichte: Als der Schwede noch Wikinger war, war er sehr, sehr mächtig. Theoretisch hätte er damals die ganze Welt erobern können, aber leider war zu der Zeit der Globus, das heißt die Rundheit der Erde, noch nicht erfunden, weshalb seine Schiffe im entscheidenden Moment immer von der Erdscheibe herunterfielen. Weil der Schwede mit König Gustav Adolf und dessen Pagen Lieselotte Pulver vor nunmehr über 350 Jahren am Dreißigjährigen Krieg teilgenommen hat, bin ich heute evangelisch. Jaja, so ist das mit dem Schweden ...
Größe und Bevölkerung: Bulgarien, wie leicht sagen wir das in unserem alltäglichen Leben so dahin. Doch was wissen wir überhaupt über den Bulgaren? Nur, daß er besser Fußball spielt als der Deutsche, und selbst das ist für uns noch relativ neu. Der Bulgare trägt immer, auch im Sommer, eine schwere, schwarze Lederjacke und ist extrem schweigsam, außer Stoichkov. Dafür trinkt der Bulgare enorm viel, vor allem Raki, ist aber nie betrunken. Zumindest denkt das der Deutsche, denn wenn der Bulgare doch mal beschwipst ist, kriegt das der Deutsche nicht mehr mit, weil er längst schlafend unter dem Tisch liegt. Noch nie hat ein Nicht-Bulgare einen betrunkenen Bulgaren gesehen. Eigentlich dürfte der Bulgare in einer Mannschaftssportart gar nicht so erfolgreich sein, da alle Bulgaren extreme Individualisten sind und nie etwas gemeinsam machen, außer trinken.
Wirtschaft: Der wichtigste Wirtschaftszeig in Bulgarien ist: etwas haben, was man tauschen kann. Das ganze Land ist ein einziger Schwarzmarkt. Reichlich gibt es nur Fleisch, weil wegen der Futtermittelknappheit alle Tiere, auch Zuchttiere, geschlachtet werden. Der Bulgare an sich macht nie große Pläne. Er denkt sich immer, es wird schon irgendwie gehen, und wenn nicht, dann geht's auch. Diese Mentalität, kombiniert mit seiner Schweigsamkeit, macht ihn sehr sympathisch, bewirkt aber auch, daß sein Land unmittelbar vor einer Versorgungskatastrophe steht.
Geschichte: Im Prinzip kämpfte der Bulgare immer auf der Seite der Deutschen und verlor deshalb auch immer. Nur einmal, letzten Sonntag, stellte er sich gegen den Deutschen und errang prompt den größten Erfolg seiner Geschichte. Jaja, so ist das mit dem Bulgaren ...
Die Hymne hier ist nicht die bulgarische. Sie wurde nur kürzlich mit dieser zusammen gesungen.
Größe, Bevölkerung, Topographie und Klima: Brasilien ist mit 8.511.965 Quadratkilometern das drittgrößte Land bei dieser WM. Da der Brasilianer aber mit Rußland und den USA bereits die größten Länder geschlagen hat, ist er jetzt natürlich Favorit. Es heißt, daß in Brasilien die Kinder schon mit einem Ball am Fuß auf die Welt kommen. Haben die Kinder bei der Geburt keinen Ball dabei, sind sie Mädchen und tragen eine Sambatrommel. Der Brasilianer macht mit seinem Regenwald das Klima für die ganze Welt. Wie er das genau macht, ist unheimlich kompliziert zu erklären.
Wirtschaft: Neben seinem Regenwaldmonopol produziert der Brasilianer noch Kaffee, Karneval, Fußballer und Seifenopern.
Politische Kultur und Geschichte: In Brasilien ist, wie überall in Südamerika, sehr viel Korruption, Staatswillkür und Verbrechen. Des Brasilianers spektakulärste innenpolitische Panne war sein Hauptstadtumzug, von Rio de Janeiro ins frisch in den Urwald gestampfte Brasilia. Da funktioniert bis heute noch gar nichts so richtig. Man kann also von Brasilien lernen: Hauptstadtumzüge sind immer völliger Mist! Die berühmtesten Brasilianer sind Pélé und der Zuckerhut. Der Brasilianer spricht, im Gegensatz zu allen umliegenden Spanischsprechenden, portugiesisch. Das muß so sein – wegen der Geschichte.
Dem Brasilianer wäre der WM-Titel wirklich zu wünschen, allein schon, weil er am besten feiern kann. Jaja, so ist das mit Brasilien ...
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen