Rettungsring für Stadionbad

■ Flossen-Demos, feuchte Feiern und nicht-bindende Beschlüsse ums Bad im Viertel

Mittwoch, elf Uhr morgens. Merkwürdige Gestalten schnüren durchs Viertel. Auffälliges Kennzeichen: Schwimmgürtel, Riesenkrokodile und Quietscheenten. „Das werden am Nachmittag noch mehr“, warnt die Polizei, „aber wir haben alles im Griff.“ Darum müssen sich die PädagogInnen erst noch bemühen. Kalle Koke von der Gesamtschule Mitte schwitzt jetzt noch, obwohl die Demo seiner SchülerInnen schon vor einer Stunde zuende ging. „Das ist ja nicht einfach, so einen Haufen Fünf- Sechsklässler zusammenzuhalten.“ Die LehrerInnen der Stader Grundschule müssen bis zur Entlassung der Kinder aus der Revolution noch einige Minuten bangen. Die Kleinen kommen, ganzkörperlich Sprüche skandierend, bei ihrer Menschenkette ums Stadionbad der Wasserkante bedrohlich nahe. Alles geht gut, der Rückzug verläuft geordnet, niemand geht bei der Aktion baden.

Das wäre den drei CDU-Vertretern des Beirates Mitte/Östliche Vorstadt, welcher Dienstagabend direkt vor Ort tagte, beinahe anders ergangen. „Sieh zu, daß du hier nicht rausfliegst“, ging es ungeachtet des „Wie“ in Richtung Michael Glintenkamp. Der auch rhetorisch gewichtige CDU-ler blieb gelassen wie ein Sumo und bekannte, was ihm niemand glaubte: „Ich bin selber im Sport tätig.“ Trotzdem kann sich der Aktive eine Wohnbebauung in der Pauliner Marsch vorstellen. „Strikt –nein' zu sagen“, wie etwa Umweltsenator Fücks oder Innensenator van Nispen, sei „zu einfach und populistisch.“ Den Erhalt des Stadionbades über einen Zeitraum von möglicherweise nur einigen Jahren hält er für „Stückwerk“ und Ausdruck einer „Konzeptlosigkeit, die viel Geld kostet.“

Doch der so wohlangelegte Schuß ging nach hinten los. Die überwiegende Mehrheit des Auditoriums schloß sich der Überlegung an, daß nur ein größeres Stadionbad langfristig Perspektiven hat. Marlis Tietze, Beiratsmitglied der SPD, formulierte den Gedanken forsch in einen Antrag um: Da die von SV Werder und Zechbau präsentierten Planungen vorsahen, den Sportplatz der Werderaner zur möglichen Wohnbebauung freizugeben, schloß die SPD-lerin messerscharf, daß dieser Platz zur Disposition steht. Sie forderte, das Gelände des Stadionbades um nämlichen Sportplatz zu erweitern.

Der Antrag wurde mit elf zu drei Stimmen (CDU) angenommen, worüber sich besonders die GenossInnen freuten. Denn Marlis Tietze hatte die Kohlen aus dem Feuer geholt für eine SPD, die bezüglich Stadionbad seit Wochen in Lähmungserscheinungen verfallen war. Die Bürgerschaftsabgeordneten haben sich in die Sommerpause verabschiedet und dort bislang keine Position gefunden. Anders die Grünen, die Bürgerschaftsabgeordnete Elisabeth Hackstein erteilte der Wohnbebauung Pauliner Marsch eine Absage, forderte den Erhalt von Stadionbad und Ostkurve.

Und was sagen die Erfinder der Ostkurvenwohnbebauung, die das Stadionbad so einfach aufs Spiel setzen? Die hatten sich dem Volkszorn entzogen, Zechbau und Werder waren der Einladung zur Beiratssitzung erst gar nicht gefolgt. Die Entscheidung, ließen sie schriftlich in neuer Selbstbescheidenheit mitteilen, sei schließlich eine politische. Tatsächlich scheint die weitgehend klar, immerhin haben sich mit Fücks und van Nispen die maßgeblichen Senatoren bereits eindeutig gegen die geplanten Luxuswohnungen und für den Erhalt des Stadionbades ausgesprochen.

Der „Förderkreis Stadionbad“ jedoch glaubt die Versprechungen erst eingelöst, wenn die Finanzierung der notwendigen Reparaturen am Bad gesichert ist und die sechs- bis achthunderttausend Mark als feste Posten im Haushalt vermerkt sind. Bis dahin heißt es kämpfen, meint Förderkreissprecher Gunnar Oertel. „Es geht ums Gemeinwohl“, apelliert auch Heinz Helmut Clausen, Präsident des Landessportbundes an die Politik, „das Stadionbad ist noch kein Werderbad.“ Nicht zuletzt wären da die Kinder vor, die am Zehnmeterturm die baumelnde Botschaft hinterlassen haben: „So tief fällt, wer das Bad nicht hält“. dah