: Verkehrschaos im Tunnel
■ Grüne fordern ersatzlose Streichung des Tiergartentunnels / Planungsverfahren "unseriös" / Die Invalidenstraße soll achtspurig werden / Das Ringkonzept beleben und die U-Bahn-Linie 5 streichen
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus fordert eine Revision der Verkehrsplanungen im sogenannten Zentralen Bereich und eine Neuauflage des gerade beendeten Planfeststellungsverfahrens zu den Tunnelprojekten unter dem Tiergarten. Fehleinschätzungen bei der baulichen und verkehrlichen Entwicklung vor Ort, Finanzierungslücken und negative Auswirkungen ökologischer Art „konnten beim Planfeststellverfahren nicht widerlegt werden“, sagte gestern der verkehrspolitische Sprecher Michael Cramer. Der nordsüdliche Straßentunnel, so Cramer, sei „so unnötig wie ein Kropf“, da er mehr Verkehr, nämlich 5.000 Fahrzeuge pro Stunde und Richtung, erzeuge. Er widerspreche der Intention des Senats, das Autoverkehrsaufkommen auf einen Anteil von zwanzig Prozent „zurückfahren“ zu wollen.
Im konkreten Fall könnten die Autos statt durch den Tunnel vom Kanalufer über den Großen Stern zur Invalidenstraße geführt werden. Diese „Nullvariante“ sei aber nicht untersucht worden – „eine unverzeihbare Fehlleistung“, wie Cramer meint, da 700 Millionen Mark gespart werden könnten.
Die Festlegungen der Bebauungspläne (B-Plan) für die Tunnelverbindungen sowie den Bereich Lehrter Bahnhof seien zudem unkorrekt verlaufen. Statt wie im B-Plan vorgesehen, Daimler-Benz nur eine Zufahrtspur im Tunnel zu gestatten, sollen nun zwei Trassen zu Lasten einer Grünanlage gebaut werden. „Ein seriöses Verfahren hätte dies berücksichtigen müssen. Deshalb muß die Gesamtplanung neu ausgelegt werden“, erklärte der grüne Abgeordnete. Dem Areal um den Lehrter Zentralbahnhof droht nach Cramers Ansicht gar der Verkehrskollaps, wenn die neuen Betonpisten Wirklichkeit würden: „Die Invalidenstraße soll achtspurig ausgebaut werden. Vom Autotunnel ist eine vierspurige Ausfahrt zum Bahnhof geplant.“ Um diesen werde ein Netz von Erschließungsstraßen geführt. 1.000 Autostellplätze sollen dort gebaut werden. Auf Radwege werde dagegen ganz verzichtet. Die Fußgänger müssen auf schmalen Trottoiren wandeln.
Ebenso wie die Umweltschutzorganisation BUND plädierte Cramer dafür, die milliardenschweren Tunnelvarianten zu streichen und das „Ringkonzept“ für die Bahnstrecken neu zu beleben. Nur dieses beinhalte auch eine Anbindung an den Großflughafen Schönefeld- Süd. Bis dessen Standort endgültig geklärt sei, müsse das Eisenbahn- Planfeststellverfahren ausgesetzt werden. Schließlich könne an Stelle der 2,7 Milliarden Mark teuren U-Bahn-Linie 5 eine billigere Tram-Bahn gebaut werden. Rolf Lautenschläger
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