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Ein toter Haifisch

Annie: Hm ja, Alvy, also laß uns die Dinge klar ins Auge fassen... hör zu ... also, ich glaube, zwischen uns geht nichts mehr.

Alvy: Jaja, tja, so ist's. So eine Beziehung, glaub ich, ist wie'n Hai, weißt du. Sie muß sich ununterbrochen voranbewegen – oder sie stirbt. Und ich glaube, was wir jetzt in den Händen haben, ist ein toter Hai. (Woddy Allen: „Der Stadtneurotiker“)

Schwer zu sagen, warum bisher alle Versuche, eine Biographie von Woody Allen zu schreiben, mehr oder weniger gründlich in die Hose gingen. Es fehlte an einem Biographen, der funktioniert wie Zelig selig – der gar nicht anders kann, als sich seinem Gegenüber hurtig anzuverwandeln. Statt dessen versuchten die Autoren, die Genese des Allenschen Humors aus einem generellen Unbehagen an der Kultur, aus den zu engen jüdischen Wollunterhosen oder schlicht aus dem Schmerz zu erklären. Eine Dame mit dem aparten Namen Linda Sunshine hat es drangegeben. Aus Drehbüchern, Nachtclub Conférencen und Interviews hat sie ein Jiggsaw-Puzzle zusammengestellt, an dem man dann sitzen kann in diesen schlaflosen gebenedeiten Nächten und schieben und rücken. Woody Allen. Das Bilderlesebuch funktioniert ein bißchen wie Songtexte von Liedern, deren Wörter man vergessen hat und deren Sound einen aber sofort schamlos glücklich macht.

Lachen, das in seinem manifesten Bereich unbewußt bleibt (oder, wie Freud sich ausdrückte, wenn es aus dem Mund kommt), funktioniert häufig am besten, wenn etwas Komisches passiert ist. Daher wird der Tod eines Freundes fast nie ein Kichern ernten, ein komischer Hut dagegen schon. Wie ein gefederter Storch stakst Allen durch den Diskurssalat. Die Themen: „Loveburgs Rache an seiner Mutter“ („Als Loveburg sechs Jahre alt war, schossen seine Eltern täglich mit Pistolen aufeinander. Dieses Klima forderte seinen Tribut bei einem sensiblen Jüngling wie Jorgen, und bald begann er, an den ersten seiner berühmten ,Launen‘ und ,Ängste‘ zu leiden, was ihn einige Jahre unfähig machte, an einem Brathähnchen vorbeizugehen, ohne an seinen Hut zu tippen. In späteren Jahren erzählte er Freunden, während der ganzen Niederschrift von WEICHE BIRNEN sei er nervös gewesen und habe bei verschiedenen Gelegenheiten geglaubt, die Stimme seiner Mutter zu hören, die ihn fragte, wie sie nach Staten Island komme.“)

Andere Themen: Akne, Tolstoi, New York, wie er von Gertrud Stein in Paris eins aufs Maul kriegt, Sex mit dir, über das Nicht-Sterben, über Gott („es gibt nicht nur keinen Gott, sondern versuch mal, am Wochenende in New York einen Klempner zu kriegen“) und Oben- ohne-Rabbis. Man wird angenehm seekrank davon. Und schließlich heißt es: „Alles in allem würde ich Ihnen gerne eine positive Botschaft mit auf den Weg geben. Ich hab aber keine. Würden Sie eventuell auch zwei negative nehmen? mn

„Woody Allen. Das Bilderlesebuch.“ Hrg. von Linda Sunshine. Kindler, München 1994, 295 S.

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