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Die versunkenen Träume

UN-Seerechtskonvention kann endlich in Kraft treten / Industrieländer sicherten sich den Zugriff auf die Bodenschätze auf dem Meeresgrund  ■ Von Beate Ratter

Berlin (taz) – Die große Wende, der Durchbruch, die langersehnte Einigung – wie soll man es nennen, daß nach über 20 Jahren Verhandlungen, Wiederverhandlungen und Nachverhandlungen die USA sich im März dieses Jahres bereit erklärt haben, der wohl größten und umfassendsten (wahrscheinlich auch teuersten) UN-Konvention über ein neues internationales Seerecht beizutreten? Auf diesen Schritt haben alle anderen Nationen gewartet, denn ohne die Unterstützung der USA ist die „United Nations Convention on the Law of the Sea III“ nichts wert. Ende Juni hat nun auch der Bundestag den Beitritt der Bundesrepublik zur Seerechtskonvention gebilligt.

Im Mittelpunkt stand der Streit um die Nutzung von Mineralvorkommen auf dem Meeresgrund. Am 29. Juli wird die UN-Vollversammlung nun ein Zusatzabkommen über die Ausbeutung von unterseeischen Bodenschätzen zur Unterschrift vorlegen. Am 16. November letzten Jahres hatte Guyana als 60. Staat die bereits 1982 von einer Mehrheit der UN-Mitglieder unterschriebene Konvention ratifiziert. Den Bestimmungen zufolge kann sie zwölf Monate danach, also am 16. November 1994, in Kraft treten.

Praktisch bedeutet das jedoch nichts. Lakonisch bemerkte ein britischer Seerechtsdiplomat: „Sollen sie doch ihre Konvention in Kraft treten lassen. Durchgesetzt werden kann damit sowieso nichts, weil sie kein Geld haben.“ „Sie“, damit meinte er die vielen Nationen, Inselstaaten und Küstenländer, die sich in den letzten zehn Jahren darum bemüht hatten, die 1982 von der Mehrheit der UN- Mitglieder unterschriebene Konvention in ihren Länderparlamenten zu ratifizieren und endlich einheitliche, global gültige Regelungen für Meereszonen und maritime Ressourcen sowie die Verteilung der letzten Reichtümer der Erde, die Bodenschätze der Tiefsee, zu finden.

Unter den 60 Ratifizierern war nicht eine einzige der zahlungskräftigen Industrienationen. Außer Island und Malta ratifizierte keiner der Staaten Westeuropas. Insgesamt werden von den bislang beigetretenen Nationen nicht mehr als rund fünf Prozent der UN-Beitragsgelder geleistet. Das bedeutet, daß nicht einmal Gelder da sind, die zu etablierende Meeresbodenbehörde die nach Kingston/Jamaika kommen soll, oder den Internationalen Seegerichtshof, der sich in Hamburg niederlassen soll, einzurichten.

Bereits in den siebziger Jahren, nach den ersten Jahren der Verhandlungen, ging der Glaube an eine gerechte Aufteilung der Weltmeere verloren. Jedem einzelnen Staat wurde ein zwölf Seemeilen breiter Streifen vor der Küste als eigenes Staatsgebiet zugestanden. Darüber hinaus konnte jeder Küstenstaat noch eine neue 200 Seemeilen breite ausschließliche Wirtschaftszone einrichten, die ihm exklusive Nutzungsrechte der maritimen Ressourcen garantiert.

Der große Streit aber war die Aufteilung der Meeresbodenschätze im Tiefseebereich, also derjenigen, die nach der ursprünglichen Idee als „Erbe der Menschheit“ für alle Staaten zu gleichen Teilen genutzt und geschützt werden sollten. Nach neueren Schätzungen enthalten die Manganknollen auf dem Grunde des Pazifiks neben dem Mangan, das für hochwertige Metallegierungen verwendet wird, 12 Milliarden Tonnen Kupfer und 17 Milliarden Tonnen Nickel, zudem Eisen und Kobalt.

Die führenden Nationen sollten zwar an der Förderung von Manganknollen aus der Tiefsee nicht gehindert, aber dazu verpflichtet werden, einen Teil ihrer Einnahmen an die entsprechende Behörde zu bezahlen. Diese hätte dann dafür zu sorgen, daß über einen Technologietransfer zwischen Erster und Dritter Welt längerfristig auch für die Länder des Südens die Möglichkeit geschaffen wird, Meeresbergbau zu betreiben.

„Freies Unternehmertum“ auf den Weltmeeren

Dies war für die USA ein Angriff auf das „freie Unternehmertum“. Der vielzitierte „Part XI“ der UN- Seerechtskonvention wurde zum Zankapfel, um den die internationalen Seerechtsexperten jedes Jahr im Frühjahr in Kingston und im Sommer in New York stritten. Das Problem war, die Eigeninteressen der sogenannten Pionierinvestoren mit den idealistischen Träumen der Konventionsentwerfer und den technisch weniger entwickelten Ländern zu vereinbaren. Und Jahr für Jahr rückten die Parteien weiter von der ursprünglichen Idee ab.

Am Ende blieb in der Meeresbodenbehörde eine Verwaltungsstelle für die Registrierung von Schürfrechten übrig: Schürfrechte für Unternehmen, die vielleicht in zehn bis 15 Jahren anfangen zu arbeiten und die pro Projektionsgebiet eine Minimalleistung von 250.000 US-Dollar zu bezahlen haben. Aus dem geforderten Technologietransfer von Erster zu Dritter Welt wurde ein Weiterbildungsprogramm für drei Nachwuchswissenschaftler für nicht einmal ein Jahr.

Und wo stand Deutschland? In Wartehaltung hinter der USA. Weil die Vereinigten Staaten nicht bereit waren, die Konvention in ihrem vereinbarten Zustand zu zeichnen, hielt sich auch die Bundesregierung vornehm zurück. Zwar war längst beschlossene Sache, daß Kingston die Seabed Authority und Hamburg den Seegerichtshof bekommen soll. Dennoch mochte sich die Bundesregierung nicht gegen ihren alliierten Partner auflehnen und im Alleingang ratifizieren. Da halfen lange Zeit auch keine PR-Veranstaltungen der Hamburger Vertretung in Bonn, um der Regierung klarzumachen, daß der Seegerichtshof ein Gewinn für Deutschland wäre, aber eben einen Beitritt zur Konvention voraussetzt.

Nach den jüngsten Erklärungen der USA, sich mit den nunmehr erreichten Verhandlungsergebnissen einverstanden zu erklären und der Konvention beizutreten, wurde auch Deutschland wieder aktiv und beschloß vorletzte Woche den Beitritt zur Konvention. Damit ist die Einrichtung der ersten UN-Behörde auf deutschem Boden besiegelt.

Nicht Wende, Durchbruch oder Einigung – Durchsetzungskraft, Dominanz und Eigeninteresse führten zur Beitrittserklärung der USA und letztlich auch der Bundesrepublik. Der Traum vom „Erbe der Menschheit“ versank in den Fluten der Weltmeere.

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