: Öko-Grabstein mit Plexiglas-Häubchen
■ Trendsetter im Bestattungsgewerbe: Sparen am Stein, Feilen am Design / Eine Kasseler Ausstellung von Steinmetzen will neue Zeichen setzen
Kassel/Homberg Für Fortschritt auf dem Friedhof will der Homberger Steinmetz Bernd Foerster mit seinen „Öko-Grabmalen“ sorgen, die seit Donnerstag abend in einer Ausstellung bei der Kasseler Handwerkskammer gezeigt werden. Der Handwerker aus dem Schwalm-Eder-Kreis reibt sich an der Gestaltung der meisten Grabstätten auf deutschen Friedhöfen. „Das sieht doch aus wie im Vorgarten der Leute“, ereifert er sich. Und erst die Grabsteine: Zu 90 Prozent breit, schwarz und glatt, meist aus der industriellen Massenproduktion. Foerster setzt dem profanen Industrieprodukt das „Öko-Grabmal“ entgegen, das zwar auch industriell vorgefertigt sei, in der künstlerischen Endgestaltung jedoch eine Reihe von Möglichkeiten biete.
Mit der Sorgfalt eines Schneiders, der Stoff sparen will, hat sich Foerster hingesetzt und bis jetzt 29 Schnittmuster für Steinplatten entworfen. Jeder Winkel wird dabei ausgenutzt, so daß bis zu ein Viertel weniger Stein gebraucht wird als bei der konventionellen Schnittmethode. Der deutsche Naturwerksteinverband in Würzburg schätzt den Anteil des Abfalls bei einem normalen Grabstein auf 30 Prozent, Foerster kommt mit einem Zehntel der ursprünglichen Masse aus. Noch ein Vorteil: Für zwei Steine muß nur einmal geschnitten werden, so daß wesentlich weniger Steinspan anfällt, der aufwendig deponiert werden muß.
Die rund 100 verschiedenen Formen aus den Schnittmustern bilden nach Foersters Meinung eine gute Basis für individuellere Gestaltungen des Kulturträgers Grabmal. Einige Beispiele sind bis zum 19. August im Ausstellungsraum der Kasseler Handwerkskammer zu sehen. Der Flensburger Künstler Uwe Appold zum Beispiel hat sich zwei Granit-Konfektionsteile hergenommen, eine dunkelgrüne Gabbro-Platte dazwischengesetzt und das Ganze mit einer Plexiglas-Haube versehen. Ein anderes Grabmal präsentiert sich als Symbiose hellen griechischen Marmors mit einer Viertel-Baumscheibe aus massiver Eiche.
Daß derartig avantgardistische Entwürfe einmal für Fortschritt auf deutschen Friedhöfen sorgen werden, hofft Steinmetz Foerster inständig. Ein Granitwerk in Groß-Bieberau produziert seine Grabstein-Puzzle in Lizenz, doch der ganz große kommerzielle Erfolg hat sich bisher noch nicht eingestellt. Bei aller progressiven Pietät setzt daher auch der Nordhesse weiterhin auf Tradition: „Das Kreuz wird immer eine gute Wahl bleiben“, meint er und hat daher auch diesen Klassiker in seinen Schnittbögen.
Die Ausstellung „Grabmal Ökologie Kultur Objekte“ in der Handwerkskammer Kassel am Scheidemannplatz läuft bis zum 19. 8., montags bis freitags von 9 bis 12 und von 13.bis 15.30 Uhr, samstags von10. bis 12.30 Uhr. dpa
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