Seitenstich: Kein Stein, aber zu spät
■ Die Behördenkunst zum Jahrestag des Luftangriffs
Es war einmal ein Kirchturm. Der stand rauchgeschwärzt und rissig inmitten eines riesigen Trümmerfeldes, und kein Künstler hätte ein eindringlicheres Mahnmal gegen den Krieg erfinden können. Und weil dieser Kirchturm der ehemaligen Wilhadi-Kirche in Bremen stand und nicht in Hamburg, wurde er in den 60ern abgerissen. Und nun zerbrechen sich zum 50. Jahrestag der Waller Bombennacht Künstler den Kopf, wie eine angemessene und moderne Reaktion auf diesen 18.August aussehen könnte.
Ein Stein? Eine Skulptur? Die vom Ortsamt angesprochene sachkompetente Dienststelle in der Kulturbehörde, das Referat Kunst im öffentlichen Raum, sagte: Nein! Wir wollen ein alternatives Denkmal! Der öffentliche Raum als Bewußtseinsraum! Aktionen! Prozesse! Diskurse! Und lud zu einem beschränkten Wettbewerb Berliner und Bremer Künstler ein, Konzepte auszudenken. Nächste Woche kommen alle nach Bremen, ihre Ideen vorzustellen. 100.000 Mark liegen bereit z.B. für eine Medienaktion, eine Geschichte mit Zeitzeugen oder anderes. Und prima ergänzen sich Gedenkveranstaltung, Fotoausstellung und Kunstaktionen...
Denkste! Die Kunstaktion des/der Wettbewerbssieger wird erst im Herbst oder sogar im nächsten Frühling stattfinden. Ja man denkt schon ein bißchen über 1995 und 50 Jahre Kriegsende nach. Die Organisatoren der Gedenkveranstaltung sind sauer. Der Ortsbeirat ist sauer. Und die Künstler werden sich noch wundern über das Interesse der Bevölkerung im Winterloch zwischen den Gedenktagen.
Doch wie kam es zum Spätstart der Kunst? Das liegt am Behördentempo. Vor einem Jahr begannen die Planungen; ein Jahr aber reicht nicht für Diskussionen plus Gelder beantragen plus Gelder bekommen plus Wettbewerb ausschreiben plus durchführen. Frau Pfister vom Referat: „Ich bedauere das und finde es schlecht.“ Weil indes Behörden langsam aber machtvoll kommen, wird eins auf gar keinen Fall passieren: daß eine einmal finanziell abgesicherte, aber leider obsolet geworden Kunstaktion abgeblasen wird. Das wird durchgezogen. Bus
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen