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Bilderklau unter den Augen der Behörde

■ Schwere Vorwürfe gegen den Bremer Kunstverein: Mindestens 18 Bilder aus städtischem Eigentum sollen „unrechtmäßig“ verkauft worden sein

18 Bilder und eine Plastik soll der Bremer Kunstverein aus seinem Magazin veräußert haben: unrechtmäßig, so der Verdacht, weil die Werke aus städtischem Besitz stammen und der Kunsthalle lediglich zum Nießbrauch überlassen wurden. Das beinhaltet von altersher, daß die Stadt zwar keinen Zugriff auf die Bilder hat; aber ebensowenig besitzt der Kunstverein dadurch Verkaufsrechte. Heute soll der Vorwurf des „unrechtmäßigen Verkaufs“ in einem Gespräch zwischen dem Vorstand des Kunstvereins und der Leitung des Kulturressorts erörtert werden. Darin geht unter anderem um Lovis Corinths „Bildnis“ von Carl Bulcke, um Otto Modersohns „Turm in Wertheim“, Gabriele Münters „Blumen und Tannenreiser“ und Alfred Sisels „Landschaft bei Louveciennes“ – um Millionen-Werte, die innerhalb der letzten 30 Jahre veräußert worden sein sollen und die mit genauen Zahlen noch schwer zu beziffern sind. Sicher ist nur eins: „Wir wollen eine Entschädigung“.

Das sagt Gerhard Schwandner, der seit Beginn 1992 die Interessen der Stadt im Vorstand des Kunstvereins wahrnimmt. Möglicherweise seien die bisher bekannt gewordenen Fälle nur die Spitze eines Eisberges, gibt er zu verstehen. Denn der städtische Besitz von Bildern, die dem Kunstverein zum Nießbrauch überlassen wurden, sei so vollständig nicht zu überschauen. Erst in diesem Jahr wurde von der Behörde ein aktualisiertes Verzeichnis erstellt. Daraus ließ sich der Verlust der Kunststücke rekonstruieren. Aber die Vermißtenliste könnte noch länger werden: „Das Kupferstichkabinett ist darin noch gar nicht enthalten und geprüft.“

Den Kunstverein treffen die Vorwürfe schwer. „Man will uns kriminalisieren“, und: „Ich bin maßlos enttäuscht von Frau Trüpel“, erklärte gestern Vorstandsmitglied Hermann Wencke auf Anfrage. Ganz unerwartet kam der Anwurf der „Unrechtmäßigkeit“ jedoch auch für ihn nicht. Denn der morgige Gesprächstermin mit der senatorischen Behörde war ohnehin anberaumt: Dabei sollte der Vorschlag der Behörde, die Kunsthalle durch eine private Gesellschaft mbH verwalten zu lassen, zur Diskussion stehen – beim Kunstverein eine ungeliebte Idee. „Denn das privateste, was es gibt, ist doch sowieso ein Verein“, so Wencke. Und: „Mit solchen bösen Vorwürfen sollen wir fertig gemacht werden.“

Daß Bilder aus dem Magazin der Kunsthalle verkauft wurden, weiß allerdings auch Hermann Wencke. Aber daß sich auch städtischer Besitz darunter befand – das sei wohl „Tütelei“ gewesen, ein Irrtum. Unabhängig davon, wem die Bilder gehörten: „Ein Opfer ist solch ein Verkauf immer“. An die letzten Verkäufe erinnert er sich im Zusammenhang mit dem neuen Anbau der Kunsthalle, noch zu OB Koschnicks Zeiten: „Die Stadt hatte uns Gelder zugesagt, die dann nicht kamen. Da mußten wir verkaufen.“ Auch einen Renoir erwischte es, der ging nach England, für eine Million. Und im übrigen habe ja der Vorstand zugestimmt.

In diesem Vorstand aber ist, neben vielen kunstsinnigen Privatleuten, auch die Behörde mit zwei Personen vertreten. Neben Gerhard Schwandner ist das seit rund zehn Jahren Dieter Opper. Und auch der erinnert sich an Bilderverkäufe. Auch an solche, die die Restschuld für den Museumsanbau Mitte der 80er decken sollten. „Nur daß dann Bilder der Stadtgemeinde verkauft wurden, wußte ich nicht“. Vielleicht fördert ja die nächste Senatssitzung, am Dienstag kommender Woche, etwas Handfesteres über die genaue Verkaufspraxis von damals zutage. Denn da kommt eine Anfrage der Grünen auf den Tisch, in der genaue Auskunft über die Bestände und Verkäufe Bremer Kunstbesitzes verlangt wird. ede

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