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Die Einladung konvenierte nicht

■ Greenpeaceler errichten einen „Sitzungssaal“ vor dem AKW Philippsburg, doch die Betreiber wollen nicht über die Notwendigkeit der Castor-Transporte nach Gorleben reden

Philippsburg (taz) – Diesmal kamen sie nicht bei Nacht und Nebel, sondern hatten sich vorher mit einem artigen Brief angemeldet. Ein begeisterter Empfang wurde den AktivistInnen von Greenpeace durch die Betreiber des AKW Philippsburg gestern trotzdem nicht bereitet. Sie mußten mit ihrem zu diesem Gespräch selbst mitgebrachten „Sitzungssaal“, dem Konferenztisch und den Stühlen, vor der Schranke auf der Rheinschanzinsel stehenbleiben. Der weiße Container mit der Aufschrift „Stoppt Castor“ war gegen 11 Uhr mit einem LKW auf die Zufahrt des AKWs gerollt und abgeladen worden. Der Castor-Behälter mit den Brennelementen blieb trotz des für diesen Tag angekündigten Umladens auf den wartenden Eisenbahnwaggon drin.

Am Tor harrten sieben Polizisten der Dinge. Sie waren nicht gewillt, Greenpeace die Aktion zu verwehren. Einsatzleiter Hartig: „Das ist eine öffentliche Straße. Und der Verkehr wird nicht behindert.“ Auf eben dieser Straße entspann sich dann, unter den surrenden Drähten der Strommasten, doch ein reger Disput, allerdings nicht mit den Vorständen der Unternehmen, sondern mit deren Sprechern Lutz Fleischer und Albert Reinecker. Sie teilten unisono mit, daß ihren Chefs die Form der Einladung, „gestern um 16 Uhr“, nicht konveniere. Außerdem erklärten sie, daß der Castor noch im AKW sei und nicht, wie angekündigt, ausgeschleust und verladen werde. Es seien noch einige Prüfungen notwendig.

Greenpeace-Atomexperte Roland Hipp vermutete technische Probleme der Betreiber, den 120 Tonnen schweren Behälter nach Einfüllen der in Wasser gelagerten Brennelemente trocken zu kriegen. Das müsse er aber sein, wenn das strahlende Material „wo auch immer 50 bis 100 Jahre“ gelagert werden soll. Greenpeace bezweifelte wiederum, daß der Transport in die Betonhalle in Gorleben überhaupt erforderlich sei. In Phillipsburg sei genug Platz, deshalb könnten die Brennelemente „durchaus bleiben, wo sie sind“. Außerdem sei der Transport nach Paragraph 6 des Atomgesetzes illegal. Dort werde festgeschrieben, daß nur bei Bedarf transportiert werden dürfe. Der aber bestehe nicht. Sprecher Reinecker bestritt das und kündigte für Mitte der nächsten Woche eine Presseerklärung an.

Die Greenpeaceler, die das Gelände seit zwei Wochen beobachten, wollen weiter vor Ort bleiben. Luftaufnahmen waren schon vorher mit einem Motorsegler gemacht worden. Wenn Castor verladen wird, sieht das amtliche Prozedere vor der Abfahrt noch weitere Strahlenmessungen des TÜV vor. Die Protokolle werden dann der niedersächsischen Umweltbehörde zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt. Erst wenn Niedersachsen die Abnahme dann verweigert, kann Bundesumweltminister Töpfer von seinem Bundesaufsichtsrecht Gebrauch machen.

Daß die Greenpeace-Aktion trotz Anmeldung und polizeilicher Duldung nicht ganz ungefährlich war, dafür sorgte eine Stunde später ein ausgerasteter Autofahrer. Er gab Gas, verletzte den Kameramann des von Greenpeace beauftragten Fernsehteams und demolierte die Kamera.

Greenpeace wertete das Nichterscheinen des Vorstandes als „eine klare Absage“: „Die Atomindustrie setzt auf Konfrontation und Eskalation.“ Die Umweltorganisation baute ihren Konferenzraum noch am Mittag wieder ab. Heide Platen

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