piwik no script img

BVG droht mit der Rückkehr der Zone

■ Verkehrsbetrieb denkt an Zonenmodell nach Münchner Vorbild / Eine Monatskarte könnte dann 200 Mark kosten

Nach den jüngsten Sparbeschlüssen des Senats sind die Planungen der BVG für 1995 weitgehend Makulatur. Bereits vor der morgigen Sitzung des Aufsichtsrates zeichnet sich ab, daß die ab Januar vorgesehene Anhebung der Tarife um durchschnittlich sieben Prozent nicht ausreichen wird, um die Kosten im öffentlichen Nahverkehrsnetz auch nur annähernd zu decken. Mit den neuesten Zahlen aus dem Doppelhaushalt 1995/96 „ist das nicht zu machen“, erklärte gestern BVG-Sprecher Ulrich Mohneke auf Anfrage der taz. Entscheidend sei, ob das Abgeordnetenhaus der Sparvorlage des Senats nach der Sommerpause folge oder nötigenfalls Korrekturen vornehme. Für das kommende Jahr soll die BVG mit rund 970 Millionen Mark aus dem Landeshaushalt bezuschußt werden. Das sind fast 500 Millionen Mark weniger als noch 1993. Der Verlustausgleich betrug damals noch 1,45 Milliarden Mark und wurde seitdem, zuletzt im Nachtragshaushalt vom April dieses Jahres, kontinuierlich gesenkt.

Angesichts der neuesten Entwicklung denkt der BVG-Vorstand nun intensiv darüber nach, die bisher geltenden Zeittarife durch Zonentarife zu ersetzen, um so zusätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Als Vorbild dient das Münchner Modell. Die Fahrt innerhalb einer der fünf Zonen kostet dort drei Mark. Auf Berliner Verhältnisse übertragen, würde nach Schätzungen von Fachleuten eine Fahrt von Strausberg-Nord nach Potsdam-Stadt mit rund 15 Mark zu Buche schlagen – mehr als das Vierfache des bisherigen Preises. Die Monatskarte würde demnach von 82 Mark im Westen und 70 Mark im Osten auf rund 200 Mark steigen. Wegen der schwierigen Abstimmung mit der Deutschen Bahn, den Kommunen im Umland und Brandenburg rechnet die BVG nach Angaben von Mohneke nicht vor 1996 mit der Einrichtung des Zonenmodells. Zuletzt war ein Zonenmodell in Westberlin 1987 für kurze Zeit in Kraft. Der westliche Teil wurde in vier großflächige Gebiete aufgeteilt. Nach Protesten aus der Bevölkerung wurde der Versuchsballon vom Senat wieder heruntergeholt. In der Folge senkte die BVG sogar die Preise des Einheitstarifgebiets. Ende der achtziger Jahre führte schließlich der rot-grüne Senat die Umweltkarte zum damaligen Preis von 65 Mark ein. Zum Vergleich: 1985 mußten die Westberliner für die monatliche Gesamtnetzkarte rund 150 Mark hinblättern.

Trotz der Sparzwänge soll hingegen im kommenden Jahr die Trennung der Tarifgebiete in einen West- und Ostteil noch bestehenbleiben. Allerdings werden die Osttarife teurer (eine einfache Fahrt für Erwachsene ist derzeit 40 Pfennig billiger als im Westen). Die rasche Einführung eines Einheitstarifs sei wegen noch bestehender Unterschiede bei Gehältern und Löhnen nicht früher möglich, meinte gestern Mohneke. Voraussichtlich sollen die Ostberliner erst ab 1996 vollen Westtarif zahlen, wenn die 100-Prozent-Angleichung der Gehälter für die Ostbeschäftigten im öffentlichen Dienst wirksam wird. Severin Weiland

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen