„Volksfront“-Gelaber

■ betr.: „Wer hat Angst vor der PDS?“, taz vom 9.7.94

Ihr dummes „Volksfront“-Gelaber kann die CDU sich schenken. Es ist sicherlich zutreffend, daß in der PDS noch viele drin sind, die sich zu DDR-Zeiten auf Kosten der Bürger, aber nach den Gesetzen der DDR legal, ihren Arsch vergoldet haben. Aber nichts anderes haben die Blockflöten- CDUler gemacht und versuchen es sicherlich auch weiterhin, allerdings nach BRD-Gesetzen und BRD-Vorbildern. Daß in vielen PDS-Mitgliedern noch das alte Denken drin ist, spricht ebenfalls nicht gegen die Duldung einer Minderheitsregierung durch die PDS. Man denke nur mal an Heitmanns Frauenbild – wenn die drei K kein Denken von gestern sind. In der CDU ist dies dann aber gesellschaftsfähig.

[...] Für wesentlich bedenklicher halte ich die Einigkeit der Stadtratsfraktionen in München, den Reps die Aufsicht über die oberste Ordnungsbehörde für öffentliche Sicherheit und Ausländerpolitik zu übertragen. Von der CSU ist man ja wenig überrascht. Aber SPD und Grüne müßten aufschreien, statt dies zu dulden. [...] Etwas mehr Offensive drei Monate vor der Bundestagswahl wäre schon angebracht. Dann bliebe uns vielleicht die von Gottschlich konstruierte Ampel erspart. Denn es gibt doch keinen größeren Bundeshorror, als daß sich die Grünen als das Original für Umweltpolitik mit einer bisher nur wirtschaftswachstumsgeilen Partei für Besserverdienende, die jetzt die Umweltpolitik für sich entdecken will, um nicht an der Fünfprozenthürde zu scheitern, dauernd in der Wolle haben. Das gibt bestenfalls Chaos, aber keine Regierung. Ingo Kindgen, Bergheim

[...] Wer sich die Vision bewahrt hat, daß es noch etwas außer dem Kapitalismus geben müsse, fühlt sich von der SPD nicht vertreten und von den Grünen nach der Einverleibung von Bündnis 90 immer weniger. Also PDS? Doch das darf nicht sein, und so wird flugs die These von der systemimmanenten Kraft PDS aufgestellt. Die Faktenlage dafür ist ebenso dürftig wie für alles andere, was gemeinhin von Leuten, die über die PDS räsonieren, vorgebracht wird. Aber es geht nicht um die Erkenntnis der Wirklichkeit, sondern um das hehre Ziel Rot-Grün. Da stört es nur, zugeben zu müssen, daß rot- grüne Politik nur durch den Druck der PDS umgesetzt wird. Was soll man mit einer SPD, die den Transrapid gut findet, der Postreform zustimmt, Müllverbrennungsanlagen baut, nicht konsequent antimilitaristisch ist usw. Wer, wenn nicht die PDS, hat diese Themen immer wieder im Bundestag und in den Kommunen am Kochen gehalten. [...]

Die PDS von heute ist nicht die Partei, die 1990 aus der SED hervorging, und was aus ihr wird, steht in den Sternen. Es ist aber fatal, wenn man ständig die Tatsache ignoriert, daß die PDS aus den oppositionellen Kräften in der SED hervorging und von diesen geprägt wurde, daß die berüchtigten Altstalinisten kaum Einfluß haben und daß die Altkader in ihren Plattenbauten immer noch der Vision eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz anhängen und über das, was in der DDR ablief, auch nicht glücklich waren. Würde man das im Westen begreifen, sähen die Ergebnisse der PDS anders aus. [...] Roland Schnell, Bad Zwesten