: Dumm und provokativ
■ Scharfe Kritik Moskaus an US-Senat
Moskau (AP/taz) – Auf scharfe Kritik ist in Rußland ein Beschluß des amerikanischen Senats gestoßen, die US-Wirtschaftshilfe von einem Rückzug der russischen Truppen aus Estland abhängig zu machen. Außenminister Andrej Kosyrew lehnte jede Verknüpfung zwischen Wirtschaftshilfe und Truppenrückzug ab. Die Staatsduma, das russische Unterhaus, sprach in einer Entschließung von einer „Provokation“, die darauf abziele, die Beziehungen zwischen Rußland und Estland zu untergraben. Wladimir Lukin, der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten in der Duma, sagte, Rußland werde sich solchen dummen und provokativen Forderungen nicht beugen.
Der amerikanische Senat hatte am Mittwoch in einer Entschließung mit 89 gegen 8 Stimmen eine Kürzung der Wirtschaftshilfe an Rußland gefordert, falls seine Truppen nicht bis zum 31. August aus Estland abgezogen seien. Bisher ist für alle Nachfolgestaaten der UdSSR eine Summe von 839 Millionen Dollar vorgesehen, 1993 waren es noch 2,5 Milliarden.
Rußland hat sich zu einem Truppenabzug aus allen drei baltischen Staaten bereit erklärt. Während der Abzug aus Litauen bereits abgeschlossen ist und der aus Lettland bis zum 31. August beendet sein wird, gibt es für den Truppenrückzug aus Estland noch keinen festen Termin. Moskau wirft den baltischen Staaten vor, eine „ethnische Säuberung“ unter der russischen Bevölkerung zu betreiben.
Wie scharf die russische Ablehnung des US-Beschlusses ausfiel, zeigt auch die Reaktion des früheren Finanzministers Boris Fjodorow, der als überzeugter Anhänger eines prowestlichen Kurses gilt: „Wenn Russen in einem dieser Länder gefährdet sind, sollten wir das tun, was die USA auf der ganzen Welt tun. Wir sollten von der demokratischen amerikanischen Tradition lernen, wie man Truppen in andere Länder schickt.“ Nicht gerade zur Beruhigung der Moskauer Politiker trug eine Meldung bei, daß der estnische Präsident eine Grußbotschaft an ein Veteranentreffen einer estnischen SS-Division gesandt hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
