: Bündnisgrüne lüften die Quarantäne für die PDS
■ Auf der Suche nach Mehrheiten in Neufünfland / Sachsen-Anhalt als Modell?
Berlin (taz) – „Magdeburg“ zieht Kreise. Noch ist die rot-grüne Minderheitsregierung in Sachsen- Anhalt nicht installiert, da debattieren die Bündnisgrünen bereits über den Modellcharakter des Projektes für die vier anderen neuen Länder. Kein Wunder: Sachsen und Brandenburger wählen am 11. September ihre neuen Landtage, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sind am 16. Oktober dran.
Die Fragestellung lautet: Wie kann man die drohenden Großen Koalitionen in den neuen Ländern verhindern, nachdem sich in den letzten Wahlen bereits abgezeichnet hat, daß Rot-Grün allein auf absehbare Zeit kaum merheitsfähig sein wird? Damit ist zugleich die Frage nach dem künftigen Verhältnis zur PDS auf der Tagesordnung. Das Dilemma: mit der PDS gibt es wahrscheinlich in allen neuen Ländern Mehrheiten jenseits der Union, ohne die PDS geht nur Schwarz-Grün.
Drei Grundpositionen zur Frage PDS-Kooperation haben sich in den letzten Wochen bei den Grünen angedeutet: Prinzipielle Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der PDS, Kooperation unterhalb einer formellen Tolerierung und eine offen erklärte Kooperation zur Stützung eines Minderheitskabinetts, wie sie am Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern diskutiert und vorerst verworfen wurde.
Die prinzipielle Ablehnung jeglicher Kooperation auf Landesebene war – bis zu den jüngsten Wahlerfolgen der PDS – bündnisgrüner Konsens in den neuen Ländern. Seit dem Magdeburger Experiment gerät diese, etwa von Vera Wollenberg kompromißlos vertretene Position, in die Defensive. Sympathie für diese Position und, mit Blick auf Magdeburg, deutliches Unbehagen artikulieren weiterhin die profiliertesten Vertreter der Bündnisgrünen wie Marianne Birthler, Werner Schulz, Gerd Poppe u.a. Auf der anderen Seite hat Hans-Joachim Tschiche in Magdeburg neue Maßstäbe gesetzt, an denen die Bündnisgrünen nur schwer vorbeikommen. Tschiche hat sich als Vermittler zwischen SPD und PDS angeboten, um die Kooperation mit den PDS- Abgeordneten zu erleichtern. Doch ob Magdeburg ein Modell für andere Länder sein könnte, wird entscheidend von den dortigen Erfahrungen abhängen. Verliefe das Projekt in den nächsten Monaten einigermaßen reibungslos, könnte es am ehesten in Mecklenburg Nachahmer finden. SPD- Chef Harald Ringstorff jedenfalls scheint nicht abgeneigt. Doch sind dort die Beziehungen zwischen SPD und Grünen, die bisher nicht im Landtag vertreten sind, weniger eng als in Magdeburg, was die Risikofreude der potentiellen Partner eher mindern wird. In Brandenburg richtet sich das Interesse der Grünen derzeit mehr auf die Fünfprozenthürde als auf die Frage einer PDS-Duldung. In Thüringen tendiert die SPD deutlich in Richtung Große Koalition, und in Sachsen bestimmt nach wie Schwarz- Grün die Debatte.
An Koalitionen mit der PDS jedenfalls will bei den Grünen derzeit niemand laut denken. Allenfalls in Berlin, wo die PDS in den Ostbezirken bis zu 40 Prozent erreicht, sehen einige bereits die erste echte rosa-rot-grüne Koalitionsdebatte heraufziehen. eis
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen