Sanssouci: Vorschlag
■ Gegensätze und eine Romanze in der Galerie Parzival
„Schon beim Kauf Ihres Schlüssels können Sie vorbeugen, kaufen Sie einfach den richtigen Schlüssel!“ Man möchte behaupten, es sei eine so geniale Erfindung wie Woody Allans Orgasmomat, das „Schlüsselkontrollsystem“, in das MK Kähne einlädt. Man rüttelt sich und schüttelt sich: ob man dann feststellt, daß man noch im Besitz aller seiner Schlüssel ist, oder sich fragt, ob man noch alle Tassen im Schrank hat, ist letztlich nur eine Frage der Selbstkontrolle. Seit Ende Juni präsentieren Kai Hilgemann und Laura Bruce (die OrganisatorInnen der Galerie Parzival) Berliner KünstlerInnen mit jeweils fünftägigen Ausstellungen und einem begleitenden Musik- und Performanceprogramm. Bis letzten Sonntag stellte neben M(i)K(a) Kähne auch Laura Bruce selbst aus. Ihre „Works on Paper“ hat sie in kleine Kästen mit Glastüren verschlossen. Metallschilder erklärten, was auf den Bildern zu sehen war: „The Holy Family“, „Stillife with Hare“, „Reclining Nude“ oder „Bathers“. Die klassischen Bildthemen haben ausgedient. Sie sind Relikte einer vergangenen Zeit und dort gelandet, wo sie hingehören: in einen Schrein.
Bruce' Arbeiten sind Metaphern des Vergänglichen und des Todes. „Letters Home“ sind mit rot gefärbtem Bienenwachs versiegelte Briefe. Der Text ist aus Körperfragmenten wie gewölbten Leibern und vaginalen Öffnungen auf kleine quadratische und rechteckige Objektträger geschrieben. Schnüre und Wachs verhindern das Durchbrechen der Formen, lassen sie zum Wandrelief erstarren. In 60 Selbstporträts übernimmt die Versiegelung die Funktion einer Einbalsamierung. Die in Wachs getauchten Sofortbildkamera-Aufnahmen hinterlassen den Eindruck von gerichtsmedizinischen Dokumenten einer Leiche. Immer sind die Augen der Künstlerin geschlossen, und durch den Wachsfilm wirkt das Gesicht aschfahl und leblos. Die Gegensätze der Arbeiten von Laura Bruce und MK Kähne könnten kaum größer sein: Schwere und tieferer Sinn dort, Witz und scharfer Biß im „Kontrollsystem“. Doch bekanntlich ziehen (sich) Gegensätze an. Für die letzte Woche stehen noch Alain Jadot und Holger Stark auf dem Programm. Nicht entgehen lassen sollte man sich die Arbeiten des französischen Wahlberliners Jadot. Keine Collagen, sondern Decollagen von großen Plakatwänden erleben ihre Metamorphosen in „PlakaTieren“. Und wer heute zur Eröffnung erscheint, kann den Künstler selbst bei seiner „Perfor(o)mance“ erleben; erzählt wird dann eine kleine Romanze! Petra Welzel
Alain Jadot/Holger Stark, 20.–24.7., Eröffnung heute, 20 Uhr, sonst Mi.–So. 17–21 Uhr, Galerie Parzival, Linienstraße 213, Mitte.
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