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Keine Midlife-Crisis in der Umlaufbahn

■ Nach 150 Tagen im All ist die ZARM mit ihrem Satelliten BREMSAT hochzufrieden

Der Stolz in der Stimme von Hans-Jörg Königsmann ist nicht zu überhören: „Am 9.Februar sind wir planmäßig ausgesetzt worden. Seitdem liefern uns die Solarzellen den Strom, den wir da oben zum Überleben brauchen.“ Wir da oben? Der Forscher identifiziert sich mit seinem Objekt, denn die Rede ist vom ersten Bremer im All: Der Satellit BREMSAT, gebaut und während des Fluges überwacht von einem Team von acht Wissenschaftlern und Studenten des „Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation der Universität Bremen“ (ZARM). Gestern feierten die Wissenschaftler nach 150 Flugtagen Halbzeit für ihren erfolgreichen Satelliten.

Von Midlife-Crisis keine Spur: Denn BREMSAT lebt schon länger als ursprünglich geplant und hat bisher etwa zehn Millionen Daten nach Bremen gefunkt. Eigentlich sollte er bei der D2-Mission im letzten Jahr mitfliegen, doch die NASA wollte ihn wegen technischer Probleme beim Aussetzmechanismus nicht an Bord nehmen. Der Satellitenzwerg mit seinen knapp 60 Kilo Gewicht und seinem knappen Meter Größe mußte warten, ehe er von der Raumfähre „Discovery“ im Februar ins All getragen wurde. Seitdem zieht BREMSAT mit einer Geschwindigkeit von 26.000 km/h seine Kreise im All, umrundet die Erde 16mal am Tag und hat viermal täglich mit seiner Bodenstation im Bremer Fallturm Kontakt.

„Der Zustand des Satelliten ist sehr gut“, meinte ZARM-Leiter Hans Rath, sogar eine „Feuerprobe“ hat er bestanden, als er in einen „Sonnensturm“ geriet und fünf Tage lang die Elektronik aussetzte. Dann schaltete sich die High-Tech wieder von selbst ein. BREMSAT mißt vor allem die Bestandteile des angeblich „luftleeren“ Raums um sich herum – 350 Kilometer über der Erde: Interessant für die Grundlagenforschung und die zukünftige Raumfahrt sind vor allem die Konzentrationen von freien Sauerstoffatomen, die die Außenhaut von Flugköpern angreifen und die Konzentration von klitzekleinen Staubkörnchen in der Erdumlaufbahn. Die ersten Ergebnisse der BREMSAT-Messungen zeigen, so die Forscher, daß in der Umlaufbahn bis zu 50mal mehr Staub rumfliegt als zwischen Mond und Erde. Der vom Menschen produzierte Staub ist neben den Mini-Meteoriten aus dem All ebenfalls deutlich meßbar. Kein Wunder, denn unter den Satelliten in der Umlaufbahn sind zwei Drittel abgeschaltet und kreisen damit als Weltraumschrott um den blauen Planeten.

Diese Art von Unsterblichkeit wird BREMSAT allerdings nicht erreichen. Pünktlich für den 5. Februar nächsten Jahres rechnen die Bremer Forscher mit seinem „kontrollierten Absturz“. Beim Eintauchen in die Atmosphäre bis zu seinem Verglühen soll der kleine Satellit den Wissenschaftlern noch Daten liefern. Runterkommen soll er über Nordamerika oder Rußland: Drei Forscherteams aus Bremen stehen mit gepackten Koffern bereit, um seine letzten Minuten an Ort und Stelle aufzuzeichnen.

Ein Tod für die Wissenschaft: Bereits jetzt haben die Forscher genügend Experimente und Argumente für den Bau von weiteren kleinen und komplexen Himmelskörpern gesammelt. Die sind bei der Bonner „Deutschen Agentur für Raumfahrt-Angelegenheiten“ wohl auf offene Ohren gestoßen, denn es soll einen Nachfolger für BREMSAT geben: GEOSAT soll das Magnetfeld der Erde vermessen und sich um die 1 bis 5 Zentimeter große Flugköper im Orbit kümmern. Ebenso wie BREMSAT sollen seine Nachfolgemodelle „deutlich unter 10 Millionen Mark“ kosten. Und in zwei Jahren soll es dann auch endlich den Satelliten mit dem Grünen Punkt geben: Entwickelt wird ein kleiner Satellit, der seine Rückkehr auf die Erde überleben soll. Dann kann er die nächste Reise antreten und so den Müllberg im All verringern. bpo

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