: Pack den Sari ein
■ Neu im Kino: „Picknick am Strand“
Die „Saheli asiatische Frauen Gruppe“ aus Birmingham macht einen Tagesausflug an den typisch britischen Badeort Blackpool – und das wars dann auch schon! Die indisch-englische Regisseurin Gurinder Chada erzählt in ihrem ersten Film nur von diesem einen Tag, den neun indische Frauen zusammen verbringen. Eine kluge Beschränkung ist das – ein Konzept, nach dem auch schon andere Filmemacher sehr schöne Komödien inszeniert haben. Milos Formans „Der Feuerwehrball“ oder Jaques Tatis „Schützenfest“ sind genauso konstruiert: ein außergewöhnliches Ereignis, eine möglichst bunt zusammengewürfelte Gruppe von Menschen, und der Film läßt einfach die Dinge ihren Lauf nehmen.
Gurinder Chadha macht dies so geschickt und witzig, daß sie uns ganz nebenbei und mit einem sehr bissigen Realismus die Probleme dieser Frauen nahebringen kann, ohne daß die so leicht auf dem Strand gebaute Geschichte unter Rassismus, Gewalt in der Ehe und dogmatischem Traditionalismus zusammenbricht. Alle Frauen bringen ihre alltäglichen Schwierigkeiten mit auf den Ausflug: die eine trennt sich gegen den Widerstand der indischen Gemeinschaft von ihrem Ehemann, die andere ist schwanger von ihrem afrikanischen Freund, eine andere kann ihre traditionellen Werte nicht mit dem Leben im modernen England in Einklang bringen. Gurinder Chada und die Drehbuchautorin Meera Syal haben eine ganze Reihe der Tabus und Zwänge mit denen die anglo – indischen Frauen sich abmühen müßen in diesen Film gesteckt, und wenn er auch nur in einer Szene durchsacken würde, müßten sich die ZuschauerInnen unweigerlich fragen, warum sie sich ausgerechnet für die Sorgen von neun Inderinnen in England interessieren sollten.
Aber Gurinder Chadha hält eine kühne Balance zwischen Realismus, Spannung und Humor. Und sie kann gut mit SchauspielerInnen umgehen: die neun indischen Frauen aus drei Generationen wirken (selbst noch in der gezeigten synchonisierten Fassung) auf der Leinwand so lebendig und real wie im britischen Kino sonst nur die Ensembles in den Filmen von Mike Leigh oder Ken Loach. Und als kleinen Sahneklacks obendrauf tritt in einigen Szenen noch der alte britische Charakterdarsteller Peter Cellier auf, dessen Gesicht man aus „Reise nach Indien“, „Zimmer mit Aussicht“ oder „Personal Service“ kennt, und der hier rührend komisch als alter Charmeur und Gentleman eine der indischen Damen hofiert.
Gurinder Chadha wirft einen zugleich warmherzigen und scharfsinnigen Blick auf diesen Mikrokosmos. Alle fahren mit ihren Problemen wieder zurück ins düstere Birmingham - aber auf diesem Ausflug hatten wir zusammen mit ihnen viel Spaß.Wilfried Hippen Cinema tägl. 19 Uhr
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