Lächeln – „ihre schwierigste Disziplin“

Sie sagt „ich habe genauso lange Beine wie Katrin Krabbe“, ihr Trainer behauptet, „sie ist kein Glamourgirl / Siebenkämpferin Sabine Braun und ihr Verhältnis zum Din-Star  ■ Von Kerstin Mahnke

Berlin (taz) – 1991: Sabine Braun, die Siebenkämpferin, wurde Weltmeisterin. A star was born? Sachte, sachte, sogleich dämpfte der eigene Trainer jedwede Erwartungen: „Sabine ist kein Glamourgirl.“ Und Medien sowie Athletin halten sich seitdem stur daran – „kein Glamourgirl“. Ein großer Vorzug oder ein Riesennachteil? Das scheint selbst die Mehrkämpferin nicht so recht zu wissen.

Sabine Braun (28), derzeit nach der Amerikanerin Jackie Joyner- Kersee weltbeste Siebenkämpferin, Europameisterin und Bronzemedaillengewinnerin bei Olympia, behält sich vor, weder übertrieben „schlau noch schön“ zu sein. Und obwohl sie beim Spiegel anmeldete, „genauso lange Beine“ wie Katrin Krabbe zu haben und Sommersprossen, die schon viele eifrige ReporterInnen nachgezählt haben, um ihre ratlosen Schlagzeilen zu verschönern, ist sie für Medien und Sponsoren wohl nicht einmal die Zweitbeste der Welt.

Sabine Braun ist gut. Also hätte sie das Zeug zum Idol. Indes: es ermangelt ihr an werbenotwendigem Zubehör. Die Sportlerin vom TV Wattenscheid galt lange Zeit als die „Wortkarge“, die „Spröde“; inzwischen ist sie die tapfere, wenn auch unerhörte Feministin. Der Titel: Alice Schwarzer der Sportarena sei „bisher wohl das größte“, was ihr nachgesagt wurde.

Seit sie ihre Worte wiedergefunden hat, kämpft Sabine Braun gegen die unsportliche Vermarktung klischierter Weiblichkeit in der Werbebranche. So monierte der Hersteller von Vita-Malz kurz vor Abschluß eines Werbevertrags das kurze Haar der Leichtathletin: Sie sei „ja viel zu burschikos“. Ihren Vertrag bekam dann die blondgelockte Heike Drechsler.

Sabine Braun, sagt sie, hat gar nichts gegen eine Heike Henkel, die Krabbe oder die Drechsler: „Die können von mir aus machen, was sie wollen. Es ärgert mich nur, daß immer wieder auf diesen einen Typ abgefahren wird.“ Und der ist wie das Klischee, „schlank, langhaarig, blond“ – und hetero. So muß sich Sabine Braun darüber ärgern, daß sie vergleichsweise genauso erfolgreich ist wie Männer im Zehnkampf, der Königsdisziplin, aber kein Kapital daraus schlagen kann.

Wegen ihrer kritischen Worte über die Medien und die Werbebranche eilt Sabine Braun der zweifelhafte Ruf voraus, verbissen, neidisch, sogar geldgierig zu sein. Für den Frevel, sich auf diese Weise vom Personenkult, ja selbst vom eigenen Verein zu distanzieren, wird „die unnahbare Königin“ auf hintersinnige Weise geadelt. Sabine Braun, schrieben die Zeitungen, sei zwar „Weltmeisterin, aber kein Star“, „unbeirrbar, dafür aber auch unauffällig“. Statt „Temperament zeigt sie lieber Weltklasseleistungen“.

Und Lächeln – der Werbeträger Nummer eins – „ist ihre schwächste Disziplin“. Dieser Wortschwall auf eine eine Wortkarge läßt tief in das Unverständnis und die Ratlosigkeit der JournalistInnen im Umgang mit einer Spitzensportlerin blicken, die weder kokett ist noch absolute Siegesgewißheit ausstrahlt.

Angesichts ihres kontinuierlichen sportlichen Erfolgs gerät Sabine Braun immer mehr in die Defensive: „Ich glaube nicht, daß ich ein schlechter Werbeträger bin. Aber irgendwie ist der Zug abgefahren, weil ich schon zu lange zu gut bin.“ – „Sie verkauft sich nicht.“ So oft Sabine Braun diesen Ausspruch ihres Trainers auch verwünscht haben mag, wurde er auch zum Maßstab ihrer Authentizität: „Nun will ich mich nicht um 180 Grad drehen und alles tun, um einen Werbevertrag zu bekommen.“ Also kein Stilleben mit goldenen Barilla-Nudeln im Dekolleté.

Immerhin wurde Sabine Braun von einer weitsichtigen Reporterin schon mit Tennisstar Martina Navratilova verglichen, wenigstens was die Schärfe ihrer Äußerungen über Frauen und Sport betrifft. Gemeinsam ist beiden auch der defizitäre Status einer „Junggesellin“ (Sport-Bild). „Es ist seit Jahren so geschrieben worden, weil ich keinen Alibifreund habe. Und von daher nimmt jeder an, daß ich mit einer Frau zusammen bin.“ Daß jemand sich tatsächlich für ihr Privatleben interessieren könnte, dafür, so vermutet Sabine Braun, sei sie als Siebenkämpferin „viel zu unwichtig“.

Es ist fast schon sicher, daß die Europameisterin wieder auf leisen Sohlen und ohne größere Werbeverträge ihren Titel im August in Helsinki verteidigen wird, vielleicht auch Gold bei Olympia 96 holen. Danach ist die gelernte Industriekauffrau 31, und „dann könnte man mal ans Aufhören denken“.

Ihre persönliche Zurückhaltung ist ambivalent – einerseits eine seltene Tugend im Leistungssport, andererseits für Sponsoren „unbezahlbar“: So tröstete Sabine Braun bei den Olympischen Spielen in Barcelona die enttäuschte und wettkampfmüde Mitkonkurrentin Birgit Clarius.

Doch Tugend wird im Leistungssport nicht honoriert. „Nur“ Bronze in Barcelona, das wurde Sabine Braun übelgenommen, denn Titel sind für ihr öffentliches, ohnehin karges Image allein entscheidend. Die andere Seite der Medaille ist, jeder Wettkampfausgang ist ernüchternd, wenn sich die Identität als Sportlerin einzig auf Spitzenleistungen stützt.

Von daher ist erstaunlich, daß Sabine Braun selbst noch nicht Stellung zu ihrer lesbischen Lebensweise bezogen hat. Es spielt dabei keine Rolle, ob aus Furcht vor Medien und Sponsoren. Denn selbst ihre eigene Werbeagentur hat es längst verpaßt, ihren PR- Wert aufzupolieren. Wenn sie also schon nichts für ein Image der schillernden Lila-Werbe-Pausen- Kuh tut, dann könnte sie doch etwas offensiv dagegen tun.