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Scampi mit Jazz & Mayo

■ Durchwachsen: Dee Dee Bridgewater, Roy Hargrove, „Solsonics“ und „Soon EMC“ beim West Port-Festival

Mit breiten Schwingen duckte sich das Zirkuszelt hinter der Fischauktionshalle an die Elbe. Scampis zu zielgruppenorientierten Preisen für einen langen Abend entpuppten sich als ordinäre Krabben im Mayo-Bad und bereiteten schonend auf möglichen Etikettenschwindel vor: Fettflecken auf der femininen Garderobe zum angenehm kulturellen Abend, den man auf Holzbänken unterm schwitzenden Zeltdach abzusitzen bereit war.

Dabei gab's Allerlei zu feiern: das Jazz-Label Verve seinen 50sten Geburtstag und die Chanteuse Dee Dee Bridgewater ihren „Helden“ Horace Silver. In geschichteten und in Blautönen bedruckten, groben Stoffbahnen glich Bridgewater mit ihrer neckischen Wischmob-Frisur einer schwangeren Taube oder sogar einem exotischeren Vogel. In Vogelsprache leitete sie den Abend zunächst mit einigen Kolloraturen und Stimmübungen über Silvers „Tokyo Blues“ ein. Dann drehte die drahtige Mittvierzigerin auf: Chansons und Musicals, Blues und mexikanisierte Volksweisen formte Bridgewater so eindringlich, als hätte sie all jene Standards gerade erst erfunden. Das Publikum dankte dem vielschichtigen Vogel mit stehenden Ovationen.

Roy Hargrove als kühler Stilist sollte es danach schwer haben. Mit den dringlichen Bewegungen eines Teenagers in einen weißen Leinen-Anzug gezwängt, präsentierte der erst 25jährige Traditionalist ein gut abgehangenes Programm mit viel Respekt vor den Altvorderen. Dabei schien das ambitionierte Quintett angesichts mangelnder Rücckopplung im Publikum immer näher zusammenzurücken. Im Fahrwasser von Bridgewater beklatschte es den einförmigsten Ringelreihen der Solisten und blieb den avancierteren Blaskünsten Hargroves gegenüber reserviert.

Fern der Traditionen kam in der „Late-Night“ die junge Riege zum Zug. Die lange Umbaupause dazwischen vertrieben sich einige Schelme, indem sie mit Zollstock und Wasserwaage die spärlich bekleideten weiblichen Gäste ausmaßen. Gegen zwei Uhr durften dann die reichlich genervten Solsonics aus L.A. aufspielen vor den inzwischen vom langen Abend ausgezehrten Gestalten, die das Festzelt nur noch dürftig füllten. Mit Klamotten und Galoschen von Adi Dassler und den Schamhaaren am geißenbärtigen Kinn signalisierte das Oktett sogleich seinen Clubansatz. Recht gleichgültig leierten sie jedoch ihren Jazz-Funk herunter, als ob ihnen bewußt würde, daß sie eigentlich in den plüschigen Club von Nebenan gehören, unter der Zirkuskuppel aber verheizt werden. Doch das geduldige Publikum dankte vor allem dem spirituellen Sänger, der sich bei seinen wenigen Soul-Einlagen, die stets um Geschichten aus dem Ghetto kreisten, wenigstens bemühte. Als die Polizei wegen der vorgerückten Stunde um etwas mehr Ruhe im Haus bat, war die Laune der Solsonics jedoch völlig dahin und sie trollten sich von der Bühne. Ein fetter orangener Mond machte sich bereits davon, als endlich Soon EMC die Bühne erklomm. Entsprechend der Auflösung im Publikum und den ersten Zeichen der schlafenden Verwahrlosung in den Zeltecken bot dieser frei flottierende Versionen seiner Stücke feil. Was als gepflegte Abendunterhaltung begonnen hatte, endete zu den ersten Strahlen der Morgensonne doch noch als enthemmtes Happening im kleinen Kreis. Volker Marquardt

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