„Liebe taz...“ X Frau Müller hat es besser Einzigartige Leistung der Kammer

Betr.: „Stinkender DGB-Filz“, taz vom 8.7.

Nach den jüngsten negativen Schlagzeilen über die Angesteltenkammer mag sich so manches „Pflichtmitglied“ fragen, wofür es denn eigentlich Monat für Monat seine „Zwangsbeiträge“ entrichtet. Hierzu möchte ich als langjähriger Rechtsberater der Angestelltenkammer ein kleines Rechenexempel beisteuern: Frau Müller, Angestellte in Bremen, zahlt mit 4.000 DM brutto rund 80 DM Kammerbeitrag im Jahr. Mit Fragen zum Kündigungsschutz wendet sie sich, da sie wie die meisten Angestellten nicht in einer Gewerkschaft ist, an die Arbeitsrechtsberatung der Angestelltenkammer. Eine Steuerberaterin der Kammer hilft ihr bei der jährlichen Einkommensteuererklärung. Und schließlich erreicht sie durch Schreiben eines Kammerjuristen eine Unterhaltserhöhung für ihre Tochter aus geschiedener Ehe. Arbeitsrechts- und Steuerberatung der Kammer sind kostenlos, für die Bearbeitung der Unterhaltssache ist eine Gebühr von 20 DM zu zahlen; einschließlich Kammerbeitrag kostet der Beratungsservice Frau Müller somit 100 DM.

Herr Meyer, Angestellter in Oldenburg, steht vor den gleichen Problemen. Die Steuererklärung läßt er vom dortigen Lohnsteuerhilfeverein ausfüllen (Beitrag 150 DM). Meyers Rechtschutzversicherung (Jahresprämie 250 DM) übernimmt zwar die arbeitsrechtliche Beratung beim Rechtsanwalt, nicht jedoch 300 DM Anwaltskosten für die Vertretung in seiner Unterhaltsangelegenheit. Unterm Strich muß Herr Meyer mit 700 DM erheblich tiefer in die Tasche greifen als seine Bremer Kollegin.

Bei diesen Zahlen verwundert es nicht, daß viele im niedersächsischen Umland arbeitende Kolleginnen und Kollegen – wenn sie es könnten – gern freiwillig der Angestellten- oder Arbeitskammer beitreten würden. Wer Kritik an einzelnen Vorgängen zum Anlaß nimmt, grundsätzlich über „Sinn und Unsinn des Kammerwesens“ nachzudenken, stellt damit gleichzeitig ein einzigartiges Leistungsangebot in Frage.

Günther Kornblum