Karadžić spaltet die Großmächte

Antwort der bosnischen Serben auf den Teilungsplan gilt für die USA und Deutschland als Ablehnung, für Rußland, Frankreich und Großbritannien als „legitime“ Enthaltung  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Die uneindeutige Antwort der bosnischen Serben auf den Teilungsplan der internationalen Bosnien-Kontaktgruppe hat unter den fünf Mitgliedsstaaten Uneinigkeit über die weiteren Schritte provoziert. Klar ist bisher lediglich, daß die fünf Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Rußlands und der USA am 30. Juli in Genf über ihre Reaktion beraten wollen – womit den bosnischen Serben de facto eine weitere Frist von neun Tagen eingeräumt worden ist, ihre Meinung noch zu „verbessern“, wie dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić signalisiert wurde. Was die weiteren Schritte angeht, darüber gibt es Differenzen vor allem zwischen Washington und Moskau, die möglicherweise schon bald zu öffentlichen Kontroversen führen könnten.

In der von den bosnischen Serben am Mittwoch der Kontaktgruppe übermittelten bosnisch- serbischen Erklärung, die der taz vorliegt, hatte es geheißen, das bosnisch-serbische Parlament in Pale sei „nicht in der Lage gewesen, eine Entscheidung zu treffen“. Zur Karte hieß es lediglich, sie könne „in wesentlichen Teilen als Basis für weitere Verhandlungen dienen“. Neben Veränderungen der Karte wurden weitere Vorbedingungen gestellt für eine endgültige Entscheidung des Parlaments: Verfassungsbestimmungen, die eine eigenständige bosnisch-serbische Republik mit UNO-Sitz und Recht zum Anschluß an Serbien garantien; eine Regelung für die sofortige Teilung Sarajevos und für einen Landzugang der bosnisch- serbischen Republik zur Adria sowie Abkommen über Details und Zeitplan der Aufhebung der Wirtschaftsanktionen gegen Serbien wie der Umsetzung eines Friedensplans für Bosnien.

Neue Überlegungsfrist bis zum 30. Juli

Deutlich wurden die Meinungsverschiedenheiten über die Bewertung dieser Antwort innerhalb der Kontaktgruppe nach dem Treffen der Gruppe mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić am Mittwoch abend. In einer öffentlichen Stellungnahme nach dem Treffen bezeichnete US-Vertreter Charles Redman die serbische Antwort als „Ablehnung“ der am 6. Juli vorgelegten Teilungskarte für Bosnien. Redman erklärte, darüber habe in der Kontaktgruppe „Konsens geherrscht“. Die Gruppe sei „sehr enttäuscht“; es sei eine „ernste Lage entstanden“. Weitere Sachverhandlungen mit den bosnischen Serben werde es nicht geben. Gleichlautend wie US-Botschafter Redman äußerte sich der Vertreter eines anderen Staates.

In deutlichem Gegensatz zu diesen Darstellungen stehen die Äußerungen russischer Politiker. So erklärte Rußlands Außenminister Andrej Kosyrew, „weitere Verhandlungen“ seien „möglich“, da die bosnischen Serben die Teilungskarte weder „voll akzeptiert“ noch „total abgelehnt“ hätten. Die Forderung der bosnischen Serben nach Regelung weiterer Fragen vor einer Zustimmung zur Landkarte sei „völlig legitim“. Russische Diplomaten in Genf erklärten gegenüber der taz, in der Kontaktgruppe habe „keineswegs Konsens“ bei der Bewertung der serbischen Antwort geherrscht. Auf der Sitzung am Mittwoch hätten die USA und Deutschland die Veröffentlichung einer gemeinsamen Erklärung vorgeschlagen, in der die serbische Antwort als „Ablehnung“ bezeichnet werden sollte. Dem hätten die Vertreter Rußlands, Großbritanniens und Frankreichs widersprochen und an die bei Gründung der Kontaktgruppe im Dezember 1993 in London getroffene Vereinbarung erinnert, sich über die Aktivitäten und Sitzungen der Gruppe in keiner Art gegenüber den Medien zu äußern. Entsprechend „erstaunt“ sei die Regierung in Moskau über die öffentlichen Äußerungen Redmans. Diplomaten aus westlichen Kontaktgruppenstaaten bestätigten auf Nachfrage die Darstellung ihrer russischen Kollegen.

Offiziell heißt es nun, die Kontaktgruppe habe ihre Arbeit erledigt. Nun müßten die fünf Außenminister am 30. Juli eine Entscheidung über mögliche Maßnahmen gegen Serbien und die bosnischen Serben treffen. Welche Maßnahmen dies sein könnten, ist umstritten. Um bis dahin die gewünschte „Verbesserung“ der bosnisch-serbischen Position zu erreichen, wollen Rußland und Großbritannien den Serben in den nächsten Tagen noch „Brücken bauen“. Einige der von den Serben verlangten Dokumente könnten „noch nachgereicht werden“, erklärten russische Diplomaten. Von anderen Kontaktgruppenmitgliedern wurde allerdings „definitiv ausgeschlossen“, daß die Serben das Recht auf einen eigenen Staat oder zur Sezession „auch zu irgendeinem späteren“ Zeitpunkt erhalten. Gerechnet wird für die nächsten Tage mit einer Serie inoffizieller Treffen, um einerseits den Druck auf die Serben noch zu erhöhen, andererseits der bosnischen Regierung möglicherweise noch die eine oder andere gesichtswahrende Konzession abzuhandeln.