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Die Tricks des "Kaufmanns" Josef L.

■ Wie der Kölner Unternehmer Josef L. mit Arbeitnehmern und Anlegern aus Polen auf die krumme Tour Geld machte und immer noch auf freiem Fuß ist / Falsche Dokumente und viele Firmengründungen

Berlin (taz) – Der Kölner „Kaufmann“ Josef L. gehört nicht zu den wirklich großen Wirtschaftsbetrügern. Ein bißchen Subunternehmertum mit polnischen Schwarzarbeitern, ein bißchen Anlagebetrug durch eine angebliche Siedlungsbaufirma. Aber eins hat Josef L. mit den ganz Großen gemein: er überlebt. Wie, das zeigen Dokumente und Berichte seiner Opfer, die der Berliner Beratungsverein „Polnischer Sozialrat“ mühsam ausgewertet hat. Der Verein hat jetzt bei der Kölner Staatsanwaltschaft Anzeige gegen Josef L. erstattet. Die „Maschen“ des Josef L. – eine fast alltägliche Geschichte aus dem Mittelbau der Wirtschaftskriminalität.

1. Der Trick mit dem „Einstellungstest“: Der Bauingenieur Edmund Smulczynski aus Szczecin bewirbt sich im Januar 1993 auf ein Inserat in einer polnischen Zeitung: Die Kölner Firma M.E.K. sucht „qualifizierte Fachkräfte“ für Bauarbeiten in Deutschland. Stundenlohn: 17,20 Mark – für polnische Verhältnisse ein Spitzenlohn.

Als Antwort auf sein Bewerbungsschreiben erhält Smulczynski vom M.E.K.-„Bevollmächtigten“ Josef L. ein Bewerbungsformular und einen Überweisungsvordruck. Er soll vorab 288 Mark an die Firma M.E.K zahlen. Das Geld sei für die erste Fahrt nach Köln, die Übernachtungen und einen angeblichen „Einstellungstest“, erklärt ihm Josef L. Smulczynski zahlt – wie viele andere Bewerber. Er erfährt später, daß ein Teil der Einzahler weder „getestet“ wurde noch das Geld zurückbekam. 600 Interessenten hatten sich gemeldet.

2. Lohndumping durch angeblichen „Schulungslohn“: 15 Arbeiter und Ingenieur Smulczynski fahren schließlich in einem Bus nach Deutschland. Auf über 40 Baustellen werden von L. angeworbene Bauarbeiter beschäftigt. In Deutschland eröffnet ihnen L., daß sie statt der vereinbarten 17,20 Mark nur 10 Mark pro Stunde erhalten sollen. Als Vorwand gibt L. an, daß den polnischen Bauarbeitern einige deutsche Arbeitstechniken nicht bekannt seien. Somit sei ihre Arbeit nur als Schulung aufzufassen, für die weniger gezahlt wird.

3. „Scheinverträge“ täuschen den Beschäftigten eine legale Anstellung vor: Den Facharbeitern werden diverse von L. ausgestellte Papiere ausgehändigt, die ihre ordnungsgemäße Anstellung belegen sollen. Ingenieur Smulczynski bekommt eine „Bestätigung“, daß er sich als Mitarbeiter einer angeblichen Poznaner Tochterfirma der M.E.K. nur für eine „Einarbeitungszeit“ bei der Kölner Muttergesellschaft befinde. Er ist jetzt abgestellt, auf mehreren Baustellen die von L. angeworbenen Kollegen zu beaufsichtigen.

Bei einer Baustellenkontrolle am 15. April 1993 zeigt sich, daß die von L. angeworbenen Polen entgegen ihrem Glauben nicht über gültige Papiere verfügen. Die Beschäftigten werden ausgewiesen – ohne bisher viel Lohn gesehen zu haben. Der „Kaufmann“ Josef L. mimt blankes Entsetzen ob der „Mißverständnisse“ und bleibt auf freiem Fuß.

4. Die Masche mit der „neuen“ Firmengründung: Mitte Mai 1993 erscheint Josef L. bei Smulczynski in Szczecin und erklärt, die Firmen M.E.K. in Köln und Poznan seien aufgelöst worden. Wegen seiner schlechten Erfahrungen mit der M.E.K. habe er, L., sich inzwischen selbständig gemacht. Seine neue Firma in Polen heiße Orbit, die neue Firma in Köln nennt sich BDU. Der immmer noch charmant wirkende L. behauptet, diesmal einen richtigen Werkvertrag zu haben und korrekte Arbeitserlaubnisse für die Beschäftigten. Ingenieur Smulczynski nutzt seine Kontakte und gibt das Angebot L.s weiter.

Nach ein paar Tagen fährt wieder ein Bus mit polnischen Arbeitern nach Berlin. Aber diesmal wird der Bauleiter gleich mißtrauisch und wirft die überraschten Facharbeiter gleich vom Gelände. Zurück in Polen, erfährt Smulczynski vom Arbeitsministerium, daß L. keinerlei Genehmigung besitzt, polnische Arbeitskräfte nach Deutschland zu bringen.

Die Firma Orbit, so findet Smulczynski heraus, wurde schon im Juni 1991 in Poznan gegründet, mit 100 Mark Firmenkapital. Mit dieser „Siedlungsbaufirma“ erschwindelte Josef L. Geld von mehr als 80 vertrauensvollen Anlegern. Im Januar 1993 erfahren die nervösen Kunden, daß die Orbit offiziell an die Kölner Baufirma M.E.K. verkauft wurde. M.E.K. wiederum wird im Juli 1993 durch konkursabweisenden Beschluß des Kölner Amtsgerichts aufgelöst. Weg sind die Baufirmen, weg ist damit auch der Ansprechpartner für geprellte Anleger und die betrogenen Facharbeiter. Der ehemalige M.E.K.- „Bevollmächtigte“ Josef L. ist telefonisch nicht mehr zu erreichen. Er bleibt immer noch unbehelligt.

5. Der mieseste Trick: Anzeige gegen das Opfer: Ingenieur Smulczynski reicht im März 1994 eine Klage gegen Josef L. direkt bei der polnischen Staatsanwaltschaft ein – bisher ohne Erfolg. Als er nach Deutschland einreisen will, erfährt er, daß Josef L. Anzeige gegen seinen ehemaligen „Mitarbeiter“ erstattet hat. Schon zuvor bezichtigte Josef L. Smulczynski der Urkundenfälschung, Korruption, Nötigung und Erpressung. An der Grenze wird Smulczynski die Einreise verweigert.

Durch Zufall erfährt der Ingenieur von dem Verein für Beratungs-, Organisations- und Selbsthilfearbeit „Polnischer Sozialrat“ in Berlin-Kreuzberg. Er schickt eine Dokumentation an den Verein. Dieser erstattet am 18. Juni über einen Rechtsanwalt Anzeige gegen Josef L. bei der Kölner Staatsanwaltschaft. Was Josef L. derzeit macht, ist nicht bekannt. Barbara Dribbusch

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