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„Die Gesellschaft ist noch nicht alarmiert“

■ Manfred Stenner vom Netzwerk Friedenskooperative über Protestpotentiale

taz: Bundeswehr weltweit – ein historischer Einschnitt, so bedeutend wie die Wiederbewaffnung. Aber von der Friedensbewegung hört man wenig. Warum?

Stenner: Alle Gruppen der Friedensbewegung haben vor dieser Entwicklung gewarnt. Tatsächlich sind wir zur Zeit keine große Bürgerbewegung. Auch wenn viele Friedensgruppen sich redlich mühen, bei all den Krisen und Kriegen ihren Teil zu tun – und im kleinen Versuch vorzuführen, was man im Großen tun müßte. Beispielsweise die Unterstützung von Oppositionsgruppen in Ex-Jugoslawien und der Schutz von Deserteuren. Massenaktionen sehe ich noch nicht, das muß ich ehrlich zugeben, auch Blockaden vor Kasernen nur vereinzelt. Unser Problem ist die kleine Zahl von Aktivisten: Wir sind gezwungen, uns auf einzelne Aktionstage oder satirische Aktionen zu kaprizieren, Medien- und Lobbyarbeit.

Müssen erst Zinksärge zurückkommen, damit die Leute auf die Straße gehen?

Was das Ermächtigungsurteil von Karlsruhe angeht, haben wir die Schwierigkeit, daß die Gesellschaft noch nicht alarmiert ist. Die Debatte darum, wie pazifistisch der Pazifismus noch sein soll, reicht bis in die Reihen der Friedensbewegung. Auch haben Rühe und Co. die schleichende Erweiterung der Einsätze sehr geschickt gehandhabt. Ich rechne nicht so bald mit einem Krieg, der alle aufschreckt. Das wird von einer humanitär verbrämten Maßnahme zur nächsten gehen.

Potentiale für die Mobilisierung gegen out of area hätten die Bündnisgrünen. Aber die halten sich zurück.

Die Grünen stellen – im Hinblick auf eine Koalition mit der SPD – zur Zeit ganz gewiß nicht die Speerspitze der Friedensbewegung dar. Vom Programm her sehe ich aber noch keine große Gefahr; es schließt Out-of-area-Einsätze kategorisch aus. Der Bündnis-90- Gruppe im Bundestag traue ich bei der heutigen Abstimmung über Adria-Schießbefehl und die Awacs-Einsätze ein Ja durchaus zu, aber das kann nicht die Haltung einer grünen Partei sein. Interview: kotte

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