■ Rosi Rolands Bremer Geschichten: Helga Trüpel ihre Datsche
Sommerzeit, Ferienzeit, alle Welt verläßt unsere kleine Stadt. Aber keine Bange, der Bundestagswahlkampf steht vor der Tür, und das heißt, es bleibt ein kleines Häuflein Krawallbrüder und -schwestern daheim, um die Zeitung vollzuskandalieren. Die Neustädter Sozis zum Beispiel rennen seit ein paar Tagen in der Gegend rum und raunen allen zu, die sie treffen: Schon gehört, grüner Filz, die Trüpel kippt ein Naturschutzgebiet, weil die da ihre Ferienvilla hat. Na, das ist doch ein echter Hit, da wollen wir doch die ganze Geschichte erzählen. Und die geht so:
Da wo sich in Bremen Unke und Molch gute Nacht sagen, da ist Helga Trüpel zu Hause, das heißt, manchmal. Die grüne Kultursenatorin ist nämlich, wer hätte das gedacht, Teilzeitparzellistin, und zwar jott we deh, noch hinter Wertkauf, an den Gestaden der schönen Ochtum. Dort hat sie sich vor Jahr und Tag eine Datsche gakauft, eine in einer Reihe, die sich entlang der Ochtum zieht. Ein kleines Hutzelhäuschen mit Grün drumrum. Und schlampig wie diese Ökos eben sind, hat sich dort draußen eine richtiges Idyll entwickelt. Alles zugewachsen. Könnte man prima so lassen, aber da haben die Parzellisten die Rechnung ohne den Umweltsenator gemacht. Der nämlich hatte die grandiose Idee, das Gebiet noch grüner zu machen. Ausgerechnet die Parzellen sind als Öko-Ausgleichsmaßnahme für die Flughafenerweiterung ausgewiesen. Dem hatte auch der Neustädter Beirat zugestimmt, inklusive der dortigen Grünen. Nur vor Ort wußte keiner Bescheid, bis vor ein paar Wochen.
Da nämlich liefen ein paar der Parzellisten aufgeregt durch die Gegend: Ausgleichsmaßnahme, das heißt Enteignung. So kamen sie auch vor das Trüpelsche Gartentor, mit einer Petition. Und die Senatorin erinnerte sich gerne an wildbewegte Jugendjahre, damals, Grüne und Bürgerinitiativen – und unterschrieb. Die Liste ging ans Neustädter Ortsamt und kreuzte sich mit einer anderen Initiative. Mittlerweile nämlich hatten die Grünen aus Huchting Wind von der Geschichte um die „Ausgleichsfläche“ gekriegt, und die Huchtinger Beiratsgrünen haben bei ihren Neustädter KollegInnen angefragt, ob sie einen an der Waffel haben, einem ohnehin knallgrünen Gebiet als Ausgleich für den Flughafen zuzustimmen. Und die hatten kleinlaut zugegeben, daß sie sich die Parzellen gar nicht angeguckt hatten. Ökomaßnahme, Ausgleichsgebiet, wer kann dazu schon Nein sagen? So wollten die Neustadt-Grünen die Geschichte nochmal aufrollen, dann kam die Protestnote der Parzellisten inklusive der Kultursenatorin dazu – und die SPD zählte eins und eins zusammen. Wie gesagt, grüner Fliz undsoweiter.
Nun sind die Grünen in großer Not, vornean der Umweltsenator: Soll er, kann er, darf er da nochmal eingreifen in die blödsinnige Maßnahme – weil seine Senatskollegin betroffen ist, oder trotzdem? Da sind wir echt gespannt. Mehr dazu in diesem Sommertheater, Ihre Rosi Roland
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