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"Das Spiel nicht hinnehmen"

■ Niedersachsens Umweltministerin Monika Griefahn (SPD) hofft, daß sie den Transport abgebrannter Brennelemente in das Atomlager von Gorleben verhindern kann

taz: Wann kommt der Castor- Behälter?

Monika Griefahn: Frühestens im September, wenn überhaupt. Aber wir arbeiten mit allen Mitteln daran, daß er gar nicht kommt.

Sie wollten selbst auf die Straße gehen, wenn dieser erste Transport abgebrannter Brennstäbe nach Gorleben fährt.

Der Castor ist noch nicht auf dem Weg. Meine Hauptaufgabe ist es, zu verhindern, daß er kommt. Dafür setze ich mich ein.

Es gibt einen förmlichen auf die Atomkraftgegnerin Griefahn gemünzten Kabinettsbeschluß, wonach Minister oder besser Ministerinnen an den Protestaktionen nicht teilnehmen dürfen.

Ich setze mich dafür ein, daß dieser Transport nicht auf den Weg geht. Was ich tue, wenn ich mit meinen Bemühungen scheitere, müssen Sie schon mir selbst überlassen. Bekenntnisse lasse ich mir nicht abverlangen.

Die Bürgerinitiative Lüchow- Dannenberg verlangt ja nur, daß Sie Weisungen des Bonner Atomministers Töpfer, die Sie selbst für falsch halten, nicht befolgen.

Wir haben in den vergangenen vier Jahren etwa 15 Weisungen bekommen. Man kann die Auseinandersetzung nicht in allen Fragen auf die Spitze treiben. Dafür haben wir nicht einmal die personellen Kapazitäten.

Wirklich nicht? Töpfer droht mit einer Klage, schon gibt Ministerin Griefahn nach: Sie haben gestern die Genehmigung für den Weiterbau der sogenannten Pilotkonditionierungsanlage in Gorleben erteilt. Warum?

Im Kabinett haben wir sehr ausführlich darüber diskutiert. Die Pilotkonditionierungsanlage ist vollkommen sinnlos. Trotz mehrfacher Aufforderung hat sich der Betreiber geweigert, uns ihren inzwischen geänderten Zweck darzulegen. Er hat statt dessen die bundesaufsichtliche Weisung veranlaßt. Daher hatte die Landesregierung zu klären, ob sie erneut einen Weisungsstreit vor dem Bundesverfassungsgericht eingehen soll. Es gibt bereits zwei eindeutige Urteile aus Karlsruhe, nach denen wir eine Weisung befolgen müssen, selbst wenn der Bundesumweltminister Rechtswidriges verlangt. Bei der Pilotkonditionierungsanlage kommt hinzu, daß die Grundentscheidung für ihren Bau schon in der ersten Teilerrichtungsgenehmigung gefallen ist, daß auch die Klagen von Bürgern bis in die letzte Instanz erfolglos waren. Wir haben die zweite Teilerrichtungsgenehmigung also erteilen müssen.

Die Landesregierung behauptet aber, sich mit allen legalen Mitteln dagegen zu wehren, daß Niedersachsen die Hauptlast des Atommülls tragen muß.

Es kommt darauf an, um welche Anlage es geht. Wir haben es auch mit Schacht Konrad zu tun, mit den beiden Gorlebener Zwischenlagern und nicht zuletzt mit dem sogenannten Erkundungsbergwerk, bei dem der Bund vor Gericht ein zügiges Voranarbeiten einklagt. Dagegen sind wir in die Sprungrevision vor das Bundesverwaltungsgericht gegangen. Das Bundesverwaltungsgericht wird also über den zunächst von mir verhängten Baustopp noch einmal entscheiden. Auch beim Castorlager haben wir noch rechtliche Möglichkeiten. Ursprünglich war es genehmigt als Pufferlager für abgebrannte Brennelemente, die anschließend in eine deutsche Wiederaufbereitungsanlage gehen sollten. Heute soll es nun dazu dienen, die direkte Endlagerung vorzubereiten, soll nach Auffassung Klaus Töpfers vierzig – nach Vorstellungen einiger CDU-Abgeordneter sogar hundert Jahre – in Betrieb bleiben. Der Zweck hat sich vollkommen geändert, deckt sich nicht mit der Genehmigung, zumal diese nur bis zum Jahre 2023 gilt. Gerade anläßlich des angekündigten ersten Castor-Transportes befassen wir uns noch einmal sehr intensiv mit der Genehmigung. Vor Gericht unterstützen wir die Klagen zweier Bürger.

Der Antrag auf Zustimmung zu diesem Transport ist am Donnerstag bei Ihnen eingegangen.

Wir werden uns jetzt die Prüfprotokolle sehr genau ansehen, wahrscheinlich auch Sachverständige hinzuziehen. Wir werden das Castorlager selbst noch einmal zu besichtigen haben. Der ersten Verfügung gegen den Transport, die zunächst die Sicherheit nicht gewährleistet sah, wird dann eine zweite folgen. Darin werden auch atomrechtliche Fragen, vor allem der Bestimmungszweck des Lagers, eine wichtige Rolle spielen.

Die Bürgerinitiative glaubt, daß Sie den Transport höchstens verzögern werden.

Natürlich müssen vor allem die Bürger selbst deutlich machen, daß sie für den Ausstieg aus der Atomenergie sind. Dies muß sich dann in politische Mehrheiten umsetzen. Wir brauchen eine andere Bundesregierung. Das Atomgesetz ist ein Bundesgesetz. Erst jüngst in der Diskussion im Bundesrat über das sogenannte Artikelgesetz haben wir sehr detaillierte Vorschläge gemacht, um das Atomgesetz in ein Ausstieggesetz zu verwandeln. Am Ende hat die Bundesregierung dann dieses Gesetz fälschlicherweise noch nicht einmal als zustimmungspflichtig angesehen.

Aber ihr Ministerpräsident wollte doch in den Energiekonsensgesprächen die Zwischenlager für eine Übergangszeit als Entsorgungsnachweis akzeptieren.

Nur im Falle des beschlossenen Ausstiegs aus der Atomenergie. Dabei war aber immer von der Zwischenlagerung an den Kraftwerksstandorten die Rede. Auch in Ahaus, dem einzigen externen Zwischenlager in Betrieb, werden bisher nur Thorium-Kugeln aus einem Hochtemperaturreaktor gelagert. Für diese Ausnahme gibt es einen Vertrag zwischen Nordrhein-Westfalen und dem AKW- Betreiber.

Was können Sie denn nun für den Castortransport verbindlich zusichern?

Die Frage ist, wie kurz oder lang die Verzögerung sein wird und wie politisch die Auseinandersetzung sein wird. Sehr wichtig ist der durch alle Schichten der Bürgerinnen und Bürger gehende Protest. Sie müssen gegenüber dem Betreiber und der Bundesregierung zum Ausdruck bringen, daß sie dies Spiel – Zwischenlager Gorleben als langfristiger Entsorgungsnachweis – nicht hinnehmen. Fragen: Jürgen Voges

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