: Von Out of area ins Bonner Sommerloch
■ Aus aller Welt kamen die Abgeordneten zu einer überflüssigen Sondersitzung des Bundestages zusammen / Kritiker der UN-Einsätze in der SPD hielten sich zurück
Bonn (taz) – So frisch gebräunt wie am gestrigen Freitag sind die Abgeordneten des Deutschen Bundestags selten zusammengekommen. Direkt aus dem Urlaub, von Ibiza, von Island oder wie SPD-Chef Rudolf Scharping aus dem südwestfranzösichen Bordeaux, waren die Parlamentarier zur Sondersitzung über die beiden Auslandseinsätze an den Rhein beordert worden, und die meisten erschienen tatsächlich.
Daß die in den vergangenen Wahlen notorisch erfolglosen Liberalen in der Sommerpause ihrem Außenminister eine große Bühne bieten wollten und die Union dabei mitzog, hielt ihnen gestern fast jeder Oppositionsredner vor. „Es gibt keinen plötzlichen Handlungsbedarf“, konstatierte Werner Schulz vom Bündnis 90/ Grüne. Nur Gregor Gysi, als PDS- Abgeordneter am Tag nach der Magdeburger Regierungsbildung Ziel besonders gehässiger Attacken, erklärte die Kritik an der Sitzung für unberechtigt: Die Nichtbeteiligung des Parlaments sei doch schließlich gerade der SPD- Vorwurf gewesen.
Ein ungewöhnlich dynamischer Außenminister nutzte die Gelegenheit zu einer Regierungserklärung, die viel Pathos, aber wenig Neues enthielt: „Voll handlungs- und bündnisfähig“ sei deutsche Außen- und Sicherheitspolitik nun, deklarierte der FDP-Chef. Die Übernahme von mehr Verantwortung bedeute eine „Absage an einen deutschen Sonderweg“, nationale Alleingänge kämen nicht in Frage. Eine Militarisierung deutscher Außenpolitik, die gleichwohl „ein zentrales Ziel erreicht“ habe, werde es nicht geben. Die Bundesregierung stelle sich der Verantwortung, aber sie wünsche die Kampfeinsätze nicht herbei.
Auch Kinkel bemühte das zentrale Argument der Liberalen, warum die Sitzung nötig gewesen sei: Sie gebe den Soldaten und ihren Familien Rechtssicherheit. Ein Drängen von Partnern, so Kinkel abweichend von seiner früheren Darstellung im Kabinett, sei nicht ausschlaggebend gewesen.
Noch einen Tag vor der gestrigen Sitzung war unklar gewesen, wie geschlossen die SPD den Einsätzen zustimmen würde: Verteidigungsminister Volker Rühe belegte gestern auch die Awacs- Flüge mit dem Begriff „Kampfeinsatz“, was zu einiger Unruhe führte. Aber drei Monate vor der Bundestagswahl wollten die Gegner erweiterter Auslandseinsätze in der SPD keinen Streit riskieren. Nur wenige Sozialdemokraten stimmten gegen die Billigung.
Mit einer eigenen Stellungnahme begründete Heidemarie Wieczorek-Zeul ihre Ablehnung: Der Text des Antrags sei so offen formuliert, daß er auch den Einsatz deutscher Kampfflugzeuge in Ex- Jugoslawien umfasse. Hans Monath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen