: Jazz-Fest mit Schönheitsfehlern
■ West Port-Abschluß mit Gal Costa, Fishbelly Black und US 3
Aus dem Olymp der brasilianischen Popmusik stieg Gal Costa am vergangenen Freitag herab ins Festzelt des West Port und fand dort zumindest heimische Temperaturen vor. Mit zehnköpfiger Begleitband präsentierte sie einer durchaus überschaubaren Fangemeinde ein tropisches Musikfest, daß sich viele wohl schon am vorigen Dienstag bei Caetano Veloso und Gilberto Gil erwartet hatten.
Costas Stärke ist die Interpeta-tion mit klarer Stimme im musikalisch vielfältigen Arrangement zwischen volkstümlichem Frevo und sentimental-religiösem Liebeslied, zwischen Funk-Rock und Samba-Reggae. Die fast schon schlagermäßige Musik schwelgt in Liebeserklärungen an das Land und die Menschen, wobei beispielsweise das Wort Mulatte ganz unkompliziert zum tatata-Singen genutzt wird. Und nach der etwas einfallslosen zweiten Wiederholung der einschlägigen Pophymne an das Land hat es auch der letzte begriffen: „Brasil“ wird „Brasi-ou“ ausgesprochen. Insgesamt eine perfekte, aber auch glatt heruntergespielte Show.
Zweieinhalb Stunden später trudelte wieder ein ganz anderes Publikum ein. Auf Motorrädern und in Sportwagen kamen die selbsternannten Szene-Leute die sonst augenscheinlich Stammkunden im Meyer-Lansky–s sind. Dementsprechend „cool“ ging man den fortgeschrittenen Abend an und nippte erstmal am Champagnerglas, als Fishbelly Black schon im eigenen Schweiß standen. So sprang auch der Funke der Jazz-Funk-Hopper nicht über, was aber nicht allein schuld des mangelhaft motivierten Publikums war.
Gegen zwei Uhr dann endlich die Combo, auf die alle gewartet hatten: Die Jazzfloor-Helden US 3. Dem Projekt gelang es wie letztes Jahr auch, das Zelt zum Kochen zu bringen. Sie bewiesen abermals, daß HipHop keine „Konservenmucke“ sein muß – ganz im Gegenteil. Hancocks „Cantaloope Island“ und der Hit „Tukka Yoot–s Riddim“ waren einfach so perfekt übersetzt, daß auch eingefleischte Jazzer in Stroboskop-Zuckungen verfielen.
Trotzdem bietet in einer Gesamtbeurteilung auch der Auftritt von US 3 Anlaß zu Kritik. Wiederholungen lautet das Stichwort, denn bereits im vergangenen Jahr waren die Band, wie auch Caetano Veloso, Gilberto Gil und Bheki Mseleku Gäste des damals noch als Jazz Port betitelten Festivals. Zudem gaben US 3 in den letzten Monaten in Hamburg ebenso bereits Konzerte, wie Charlie Haden, Joe Henderson und Soon E MC. Sollte hier finanzielle Sicherheit vor musikalischer Vielfalt stehen? Ein Indiz dafür ist sicherlich auch die Entscheidung des Veranstalters, die Gastronomie im Zelt zu plazieren, worüber sich nicht nur Veloso lautstark ärgerte. Und Jazz im eigentlichen Sinne hat auf dem West Port Jazz Festival scheinbar auch nur noch eine Randbedeutung. Soul, Funk, Pop und Dancefloor bestimmten das Programm. Die Zwänge der Finanzierbarkeit führen dann zu den negativen Begleiterscheinungen des Kommerzes.
Hajo Schiff/Andrew Ruch
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