piwik no script img

Nationalisten sind out

■ Sammelbewegung „Jugoslawische Linke“ gegründet

Belgrad (taz) – Zur Sammelbewegung JUL (jugoslovenska levica– Jugoslawische Linke) haben sich am Wochenende in Belgrad 24 linke Parteien und Bewegungen Jugoslawiens zusammengeschlossen. In ihrer Gründungskonvention spricht sich JUL für einen sofortigen und bedingungslosen Frieden auf dem gesamten Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens aus; die Lösung der Balkankrise sieht JUL in einer stufenweisen Reintegration des gesamten Balkanraums und einer Wiederherstellung der wirtschaftlichen, politischen, infrastrukturellen und kulturellen Verbindungen.

Hinter JUL steht außer einigen Splitterparteien (Jugoslawische Volksfront, der kommunistische Jugendverband) in erster Linie der Bund der Kommunisten/Bewegung für Jugoslawien (SK-PJ). Der SK-PJ ist eine linke Abspaltung der regierenden Sozialistischen Partei des serbischen Präsidenten Slobodan Milošević; Chefideologin ist die Soziologieprofessorin und Ehefrau des serbischen Präsidenten Mirjana Marković.

Die innenpolitische Strategie dieser Initiative ist unschwer zu erkennen. JUL soll das von Krieg, Nationalismus und dem Zerfall Jugoslawiens frustrierte linke Wählerspektrum abdecken, das sich vor allem aus Militärs, Jugoslawien- Nostalgikern und Ex-KP-Kadern zusammensetzt. Miloševićs Sozialisten erhalten so mehr Spielraum, um sich vom altkommunistischen Ruch zu befreien und sich in der politischen Mitte als sozialdemokratische Partei zu etablieren. Außerdem erhält die politische Linke ein eigenes Radio. Chefredakteur wird Marija Milošević – Tochter des serbischen Präsidenten und Freundin von Hadzi Antić, des Direktors der auflagenstärksten Tageszeitung Politika.

Beobachter sehen die JUL- Gründung als einen weiteren gut abgestimmten Schachzug, mit dem das Ehepaar Milošević eine bessere Kontrolle über die Politszene Jugoslawiens gewinnen will – in einer Atmosphäre fast täglich verschärfter Spannung. Die Sozialisten haben den nationalistischen Strömungen den Krieg erklärt. Serbenführer Karadžić kann sich bisher dank seiner starken Position unter den bosnischen Serben noch behaupten. Schwächer ist die Position der oppositionellen Nationalisten in Serbien. Am Freitag kam es im Parlament erneut zu einer Auseinandersetzung. Bewaffnete Sicherheitsbeamte in Zivil stürmten plötzlich den Saal und prügelten die Abgeordneten der nationalistischen Radikalen Partei blutig hinaus. Ein unbeteiligter Abgeordneter danach: „Das hätte leicht Tote geben können.“

Karen Thürnau

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen