: So nicht, Genosse Rebers! -betr.: "Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit", taz v. 12.7.94
Betr.: „Sauberkeit, Ordnung, Sicherheit“, taz v. 12.7.
Genosse Rebers, Deine leider nicht nur am Stammtisch geäußerte Ansicht, daß Obdachlose („Bettler“) und Demonstranten („Gammler“) zukünftig keinen Zutritt mehr zum Marktplatz haben sollten, hat uns gelinde gesagt entsetzt: Erstens sehen wir im Gegensatz zu Dir den gesellschaftlichen Skandal nicht darin, daß es Arme gibt, sondern darin, daß es Armut gibt. Dieser Skandal darf nicht durch Verdrängung und Aussperrung der Betroffenen aus der „guten Stube“ Bremens unsichtbar gemacht werden. Zweitens halten wir das Fehlen einer Bannmeile um Rathaus und Bürgerschaft nicht für ein Symptom von „Überdemokratisierung“, sondern für eine gute Tradition, die zum liberalen Klima unserer Stadt beiträgt.
Den Wahlchancen der SPD in Bremen hast Du offensichtlich einen Bärendienst erwiesen. Alleine das Klientel von DVU und „Reps“ dürfte sich in seiner politischen Grundhaltung ermutigt fühlen.
In Deinen Äußerungen erkennen wir einen „groben Verstoß gegen die Grundsätze der Partei“ ( §35 1 Organisationsstatut). Im Berliner Programm heißt es, daß die Würde des Menschen Ausgangspunkt jeder sozialdemo- kratischen Politik ist. Ausdrücklich wird klargestellt: „Die Würde des Menschen ist unabhängig von seiner Leistung und Nützlichkeit“. Mit diesem Menschenbild ist eine Haltung wie die von Dir gezeigte, die Obdachlose, Arme, Alkoholiker u.a. offenbar nicht primär als Menschen, sondern als zu beseitigende „Belästigung“ begreift, schwer in Einklang zu bringen. Entgegen der von Dir propagierten Politik der Innenstadtsäube- rung ist am Anspruch des Grundsatzprogrammes festzuhalten: „Kultur zeigt sich in den Formen des Zusammenlebens und in der Zuwendung zu Schwächeren. (...) Kommunale Kultur erweist sich im zivilisierten Umgang und solidarischen Miteinander von Menschen am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, bei der Diskussion öffentiicher Belange und im geselligen Beisammensein.“
Wir erwarten, daß Du Deine Äußerungen deutiich und in für die Bremer SPD vernehmbarer Weise zurücknimmst.
Andreas Bovenschulte, SPD-Ortsvereinsvorsitzer Altstadt
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