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Goethe als Erbe

In München wurde die Arbeit der Goethe-Institute in den alten und neuen Bundesländern diskutiert  ■ Von Thomas Pampuch

Gibt es Patentrezepte zur Verwaltung des kulturellen Erbes der alten und neuen Bundesländer? Wohl kaum. Das Goethe-Institut, qua Auftrag mit der internationalen Verbreitung dieses Erbes befaßt, läßt gleichwohl nichts unversucht, um den schwierigen „Erbschaftsfragen“ auf die Schliche zu kommen. Dazu lud es seine Regionalbeauftragten aus aller Welt, Journalisten und zwei beredte Referenten zu einem „Pressesymposium“. Hoffnungsgebietender Ort der Handlung: das Europäische Patentamt in München.

Nicht nur darum, wie wir uns selbst sehen, ging es also, sondern wie wir gesehen werden wollen. Hilmar Hoffmann, der Präsident des Goethe-Institutes, steckte in seiner Begrüßung den Rahmen ab: Nachdem uns das „Erbe der DDR zugewachsen“ sei, gelte es nun „die ideologische Spreu vom kulturellen Weizen zu trennen“. Den beherzten Versuch dazu unternahm der erste Referent. Eine Stunde lang berichtete der Publizist Friedrich Dieckmann, einziger Ostdeutscher in der Runde, über die Kulturpolitik des dahingegangenen Staatswesens, über Repression und Freiräume, über Kämpfe und Nischen. Dramaturg, der er ist, präsentierte er die Geschichte der DDR als ein Stück in fünf Akten mit jeweils dramatischen Höhepunkten: 17. Juni, 13. August, Absetzung Ubrichts, Entspannung, Montagsdemonstrationen. Die verschiedenen Generationen hatten in diesem Drama ihre spezifischen Probleme. Die Zurücknahme der Liberalisierung in den 70er Jahren etwa habe die Jahrgänge 28 bis 40 um die Schlüsselstellung in der Kultur gebracht, die ihnen eigentlich zugestanden hätte. Die Generation der „auf dem Nachttopf unterm Honeckerbild Großgewordenen“ habe dagegen ein in jeder Hinsicht abgeschlossenes Staatsgebilde erlebt und sei dem Staat gegenüber weitaus unbefangener. Dieckmann zeigte sich nicht sehr optimistisch, daß das Erbe der DDR besonders fruchtbar genutzt werden würde. Nach dem Verlust des Bezugsfeldes sei es schwer, „den kulturellen Weizen zu sintern“.

Auch der Gießener Politologe Claus Leggewie beschäftigte sich mehr mit den Erben als mit der Erbschaft. Drei Generationen von „Gründern“ machte er in der Geschichte der BRD aus: Die von 1949, die von 1968 und die von 1989. Auf die erste „verordnete Gründung“ folgte die „glücklich gescheiterte Umgründung“ (Habermas) von 68 und schließlich die „ausgebliebene“ oder „verfehlte“ Neugründung von 89. Trotz allem Pessimismus, trotz der westlichen Ängste vor einer „Veröstlichung“ und der „kulturellen Binnendistanz“ im neuen Deutschland sieht Leggewie gewisse Hoffnungen für eine wohl notwendige wirkliche Neugründung: den politischen Generationswechsel. Wenn schon nicht auf die Erbschaft, so scheint Leggewie wenigstens auf die Erben zu setzen. Und zwar auf die beider Seiten.

Das alles klang sehr einleuchtend, aber auch ein bißchen nach deutscher Nabelschau. Just jenem Phänomen also, das in vielen Ländern mit Blick auf Deutschland immer wieder – mal mehr mal weniger verständnisvoll – konstatiert wird. Daß im Ausland die Verunsicherung angesichts der deutschen Probleme wächst, wußten mehrere der Regionalleiter zu berichten. Dabei geht es freilich weniger um das gemeinsame oder gespaltene kulturelle Erbe und dessen Vermittlung. So interessiert ist man in Buenos Aires oder Athen, in Brüssel oder Rom an den Problemen der deutschen Vereinigung nun auch wieder nicht. Doch wo der neue Koloß hinsteuert, würde man draußen schon gerne wissen.

Zu hören war auch, daß für viele „ehemalige Freunde der DDR“ im Ausland durch das Verschwinden des anderen Deutschland etwas „weggebrochen“ist. Und das nicht nur bei Hardcore-Stalinisten, sondern bei vielen, die zum Beispiel als einfache Stipendiaten in Ostberlin oder anderswo die positiven Auswirkungen jener (verordneten) „internationalen Solidarität“ der DDR persönlich erfahren haben. So habe etwa die PCI Italiens jahrzehntelange gute Beziehungen zu Ostberlin gepflegt. Viele der Stipendiaten aus aller Welt seien, so merkte ein Regionalleiter an, „im Osten viel herzlicher betreut worden als die bei uns in der alten BRD. Wir waren kühler und kälter.“ Die Goethe-Institute heute litten an „einem Solidaritätsmangel gegenüber der Dritten Welt“, was sich nicht bloß im geringeren Budget für diese Länder zeige.

Das Erbe der DDR besteht, ob man mag oder nicht, auch in einer Reihe ihrer ehemaligen Partner in aller Welt. Sich um diese weiterhin und ohne Ausgrenzung zu kümmern und sie als Freunde des neuen Deutschlands samt seiner Kultur zu gewinnen, gehört sicherlich in die Abteilung „Erbschaftsfragen“. Vielleicht liegt da ja sogar eine Lösung der Frage, wie Ostdeutsche heute verstärkt in die Goethe-Arbeit mit eingebaut werden können. Den geläuterten Erben des abgewickelten Deutschlands werden die alten Partner wohl eher glauben, daß Gesamtdeutschland am Ende doch eine solidarische Politik zu betreiben imstande ist, als hochnäsigen Wessis.

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