: Orthodoxe Zwangstaufe
■ Genfer Teilungsplan beschleunigt „ethnische Säuberung“ in Bosnien
Genf (taz) – Nach Erkenntnissen des UNO-Sondergesandten für Ex-Jugoslawien, Akashi, sowie der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ in Göttingen setzen die bosnischen Serben ihre systematischen Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen an den Muslimen fort. In einer Erklärung vom Wochenende verwies Akashi auf die jüngst erfolgte Ausweisung von 139 muslimischen Frauen und Kindern aus der nordostbosnischen Stadt Bijeljina und auf die Verhaftung von siebzig muslimischen Männer in derselben Stadt sowie von hundert Männern in Rogatica, östlich von Sarajevo. Auch der „Gesellschaft für bedrohte Völker“ liegen Informationen über „ethnische Säuberungen“, Folterungen und Vergewaltigungen in Bijeljina, Rogatica und Janja vor.
Nach Angaben der in Sarajevo erscheinenden Zeitung Oslobodjenje werden in Bijeljina unter Leitung des serbisch-orthodoxen Bischofs Vasilije Kacavenda Moscheen zerstört und die Muslime zwangsgetauft sowie zwangsweise zum orthodoxen Glauben bekehrt. Die Muslime würden gezwungen, slawische Namen anzunehmen. Sie dürften weder in staatlichen Betrieben arbeiten noch private Geschäfte eröffnen. Auch das Autofahren und der Kauf von Benzin sei ihnen untersagt. Nach Einschätzung der Göttinger Gesellschaft hat die „Intensität der Menschenrechtsverletzungen“ nach Veröffentlichung des jüngsten Teilungsplanes der Bosnien-Kontaktgruppe am 6. Juli „erheblich zugenommen“. Rogatica ist eine von 20 Städten, in denen vor Beginn des Bosnien-Krieges im April 92 die Serben nur eine Minderheit der Bevölkerung stellten, die laut dem neuen Teilungsplan künftig aber zu den bosnisch-serbischen Gebieten gehören sollen.
Akashi berichtete auch von Zwangsarbeit für die wenigen Muslime, die noch in der weitgehend „ethnisch gesäuberten“ westbosnischen Stadt Banja Luka leben. Banja Luka gilt inzwischen als „Hochburg“ der Serben. Akashi appellierte erneut an die Serben, ihm einen seit Monaten verwehrten Besuch Banja Lukas zu ermöglichen.
In seiner Erklärung verurteilte der UNO-Sondergesandte die „illegalen Verhaftungen, Zwangsarbeit und Ausweisungen muslimischer Zivilisten“ als „flagrante Verletzung der Menschenrechte und der humanitären Prinzipien“. Nachdem das Mandat der vom UNO-Sicherheitsrat im November 1992 eingesetzten Völkerrechtskommission zur Sammlung von Material über Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien Ende April dieses Jahres ausgelaufen ist, hat nur noch der Sonderberichterstatter über die Menschenrechtslage in Ex-Jugoslawien, Tadeusz Mazowiecki, die Möglichkeit, die aktuelle Entwicklung zu beobachten. Aber auch Mazowiecki wird von den Serben weiterhin der Zugang zu zahlreichen Orten verwehrt. Seine bislang erschienenen Berichte (der letzte im Februar 94) geben nur ein unvollständiges Bild. Andreas Zumach
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