piwik no script img

Schmutz und Dreck

■ Was tut der Sozialdienst bei Verwahrlosung? Wohnungen BewohnerInnen

In der letzten Zeit gab es wieder zwei spektakuläre Fälle der Kindervernachlässigung in Osterholz-Tenever. In beiden Fällen waren Kinder zwischen ein und elf Jahren über Tage oder Stunden allein zurückgelassen worden. Die Polizei berichtete über eine Frau in Osterholz, die ihre ein und zwei Jahre alten Töchter über dreißig Stunden unbeaufsichtigt ließ. Sie behauptete später, daß sie bereits Erfahrung mit Kindern habe, bis zu drei Tagen würden sie es gut allein schaffen, erst dann müßten sie wieder etwas trinken. In einer anderen Wohnung befanden sich drei Kinder in ein Zimmer eingeschlossen, ohne die Möglichkeit, zur Toilette zu gehen. Durch jämmerliches Kinderweinen in dem einen Fall, durch laute Musik im anderen wurden Nachbarn aufmerksam. Sie verständigten die Polizei, die durch gewaltsame Öffnung in die Wohnungen eindrang. Die betroffenen Kinder wurden sofort in ein Kinderheim gebracht.

Bis zum Gerichtstermin werden sie dort auf jeden Fall bleiben können, aber was passiert dann? Falls ein Straftatbestand zustande kommt, entscheidet das Vormundschaftsgericht später über den Verbleib der Kinder. Oft entscheidet das Gericht, die Kinder wieder zu den Eltern zu geben, dazu entwickelt das Amt für soziale Dienste einen Hilfeplan. Gibt es beispielsweise ein Alkoholproblem, wird eine einvornehmliche Vereinbarung über eine Entziehung getroffen. Das Vormundschaftsgericht muß prüfen, ob das elterliche Sorgerecht aberkannt wird oder die Kinder wieder in der Familie leben können. Dazu wird meistens der § 1666 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu Rate gezogen, der die Gefährdung des Kinderwohls definiert.

„Das wirkliche Problem kann nach der Gerichtsentscheidung beginnen, wenn die Haustür vor uns verschlossen bleibt“, so Herr Böttcher vom Sozialdienst. Falls die Auflagen nicht erfüllt werden, kann er nur einen neuen Antrag stellen.

Die weniger dramatische Variante verwahrloster Wohnungen ist beispielsweise bei manchen alten Leuten vorzufinden: „Manchmal ist es sehr versifft, aber es hat immer einen Grund“, beschreibt Frau Lüben vom Amt für soziale Dienste den Zustand verwahrloster Wohnungen. „Ein Grund könnte sein, daß jemand einen Sammeltick hat und Butterbrote sammelt,“ erklärt sie weiter. Sie gehört zu der Institution, die Hilfe anbietet – z.B. eine Haushälterin zu besorgen, falls die BewohnerInnen den Haushalt nicht alleine schaffen. Immer werden die Fälle verwahrloster Wohnungen durch Außenstehende, sprich durch Nachbarn bekannt. Meistens informieren sie die Polizei, seltener das Ortsamt. Zunächst wird es dann dem Amt für soziale Dienste übertragen, außer wenn ein aktueller Anlaß zur Sorge besteht. „Es gibt natürlich Nachbarn, die uns wegen fehlender Gardinen benachrichtigen“, erzählt Frau Lüben. spix

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen