Weg, bevor der Kanzler kommt

Wohin mit dem Tempodrom? Der Senat sagt: Treptower Park, das Bezirksamt Treptow bietet Alternativen an, die keiner will – die Zukunft des Tempodroms ist wieder offen  ■ Von Andreas Becker

Tempo Tempo Tempo! – Neue Heimat für das Tempodrom! war der Slogan der großen Tempodrom-Gala am 2. Juni (die taz berichtete). An diesem Abend schien eitel die Sonne über der Hollywoodschaukel, in der Tempodromchefin Irene Mössinger und Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer sich für das neue Tempodrom abstrampelten. Die Gala sollte der Auftakt sein für den geplanten Umzug des Tempodroms in einen „abgefahrenen Ökobau“ – die Zukunft, die sich Gründerin Mössinger für ihre Zeltstadt vorstellt. Das Modell des Baus wurde am Ende der launigen Show als Riesentorte von Lotti Huber und anderen verspeist.

Knapp zwei Monate später ist von der guten Laune nicht mehr allzuviel zu spüren. Das Bezirksamt Treptow hat sich in der Bezirksverordnetenversammlung vom 19. Juli zwar nicht gegen das neue Tempodrom in Treptow entschieden, aber gegen den Standort, der noch bei der Gala als beschlossen galt. Schon ging man über die Aussage des stellvertretenden Bezirksbürgermeisters von Treptow, Stahr, hinweg: Der nämlich sprach von einem Standort „im Plänterwald“.

Dieser liegt südöstlich des Treptower Parks und ganz und gar nicht an der Schiffsanlegestelle beim S- Bahnhof Treptower Park, der an jenem Abend als sicher gehandelt wurde. Mit Plänterwald war schon damals ein Standort auf der Fläche des sogenannten Kulturparks gemeint. In diesen eingezäunten, festen Rummelplatz aber will das Tempodrom nicht. Es würde dort wohl kaum seinen Charakter als offener Treffpunkt der Kulturen wahren können.

Die Senatoren Hassemer und Roloff-Momin allerdings hätten es schon bei der Gala besser wissen können. Bezirksstadtrat Schmitz, in Treptow Entscheidungsträger in Sachen Tempodrom, fühlt sich von den Senatoren „übergangen“. Schmitz: „Der Bezirk hat nie Ja gesagt zum dem Standort am Anleger.“ Dort befinde sich auch keineswegs ein „Steinlager“, das einfach weggeräumt werden könne, sondern ein Gebäude der Stern- und Kreisschiffahrt.

Pikanterweise wurde dieser verlustbringende Eigenbetrieb im letzten Jahr vom Senat an eine Bremer Reederei verkauft und damit privatisiert: Das Grundstück liegt damit ohnehin nicht mehr in der Verfügungsgewalt des Senats. Laut Schmitz wurden im Hafen gerade zwei Millionen Mark investiert, und mit der Stern- und Kreisschiffahrt sei nie ernsthaft über die Fläche verhandelt worden.

Die angrenzende Rasenfläche, die ebenfalls für den etwa 10.000 qm großen Standort eines Ökotempodroms benötigt würde, gehört allerdings dem Bezirk. Und jetzt wird es spannnend: Der Bezirk hat die Fläche am 16. Mai, zwei Wochen vor der Gala, an einen Künstler verpachtet, der dort einen Skulpturengarten errichten will. Der Vertrag läuft großzügige zehn Jahre. Schmitz will nicht dementieren, daß man schon damals mit der Verpachtung „Fakten schaffen“ wollte, die die Tempodrom-Ansiedlung am Hafen endgültig verhindern.

Die Ansiedlung des Skulpturengartens habe Schmitz Kultursenator Roloff-Momin auch mitgeteilt. Allerdings erst auf dem SPD-Parteitag am 5. Juni. Das war drei Tage nach der Gala. Roloff-Momin bestreitet nach Angaben seines Pressesprechers Rainer Klemke die Aussage von Schmitz. Man habe zwar über das Tempodrom gesprochen, der Skulpturengarten sei aber nicht erwähnt worden.

Erst auf einer gemeinsamen Sitzung des Tempodrom-Ausschusses von Senat und Bezirk am 7. Juli kam es zum Krach. Wie Schmitz sagt, habe er den Senatoren „vielleicht etwas ruppig“ mitgeteilt, daß der Standort am Hafen („Steinlager“) endgültig nicht in Frage komme. Die Senatoren äußerten ihr Unverständnis. Schmitz meint, nun solle einem „Ostbezirk die Schuld in die Schuhe geschoben werden“: „Kein Mensch würde auf die Idee kommen, einen Park in Westberlin einfach zu bebauen.“

Inzwischen hat der Bezirk nicht nur mit Skulpturen, sondern auch formal Fakten geschaffen: Am 19. Juli sprach sich die Bezirksverordnetenversammlung Treptow definitiv gegen den Standort am Hafen aus. Sie machte drei Alternativvorschläge: 1. Plänterwald, eine Fläche im Kulturpark, über die bis heute nicht verhandelt wurde, 2. eine neue Idee: das BVG-Depot an der Eichenstraße, wo sich im Moment der Yaam-Club befindet. Dessen Freifläche an der Spree ist allerdings viel zu klein. Schmitz kann sich aber vorstellen, daß das Tempodrom in die denkmalgeschützten Busdepot-Hallen zieht. Das allerdings wäre das Aus für den Ökobau.

Überhaupt müßten auch hier erst noch Verhandlungen mit der Treuhand geführt werden. 3. Vorschlag: Der gerade neu als Park gestaltete Mauerstreifen am Schlesischen Busch (am Wachturm des Museums der verbotenen Kunst). Diese Fläche ist als einzige im Besitz des Bezirks. Ein Lärmgutachten wird gerade erstellt.

Alles ist also wieder offen. Die Tempodrom-Crew wird langsam zermürbt, die hat schon genug mit der Finanzierung des Neubaus zu tun. Rein rechtlich könne der Senat das Verfahren an sich reißen, ähnlich wie beim Hickhack um das Steglitzer Denkmal, sagt Pressesprecher Rainer Klemke. Das aber wolle man hiermit noch nicht androhen. Denn dann käme es zum offenen Eklat zwischen dem Bezirk Treptow und dem Senat. Die Zeit wird langsam knapp: Bis jetzt ist ja auch die Finanzierung des 13-Millionen-Projekts noch nicht gesichert. Anteile können zwar bereits gezeichnet werden, was aber, wenn das Geld dann zusammen ist und es das Tempodrom nicht mehr gibt?

Stadtentwicklungssenator Hassemer hat dem Tempodrom jetzt zwar zugesichert, daß das Zelt auch im nächsten Jahr noch im Tiergarten stehen darf, also ein Jahr länger als ursprünglich zugesagt. Aber irgendwann kommt der Kanzler. Und dann?