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Die Steinzeit-Alien von nebenan

Die starre Vergangenheit von Bikini-Atoll und Rama-lama-ding-dongs in ihrer Überzeichnung als Strandparty: Mit den „Flintstones verschwindet ein letztes Stück Erinnerung an den Muff der fünfziger Jahre  ■ Von Harald Fricke

Zunächst sind es nur Kleinigkeiten: die Pastelltöne der marmorierten Zuckerstangenhäuschen etwa anstatt der grob in Pink- und Giftfarben gemalten Popsteinklötze im Original-Cartoon. Dann wundert man sich auch ein bißchen über die afrostämmigen Mittelklasse-Amerikaner im weißen Steinzeit-Suburb, über die kindgerechten Klettergerüste auf dem Spielplatz von Bedrock City und über das grausame Fließband, auf dem zuletzt das skrupellose Kapitalistenschwein Cliff Vandercave die kleine Pebbles nebst Barney Geröllheimers frisch adoptiertem Sohnemann Bamm-Bamm in die Steinsägemühle schieben lassen möchte, bevor er selbst zum Finale einbetoniert wird. Splatter oder doch pc?

Plötzlich ist man mit seinen Erinnerungen an die beliebteste Zeichentrickserie der sechziger Jahre alleingelassen, während da draußen im Kino der vollanimierte 45-Millionen-Dollar-Film immer neue Tricks vorführt und damit doch bloß aufs Vergessen drängt. Feuerstein 94 wirbt um eine neue, freundlichere Sicht auf die starre Eisenhower-Vergangenheit von Bikini-Atoll und rama-lama-ding- dongs – in der Gewißheit, daß vom Original nur die nötigsten Erkennungsmerkmale übriggeblieben sind. Dazu Brian Levant, Regisseur des postprähistorischen Spektakels und von Kindesbeinen an begeisterter Flintstone-Anhänger: „Wir bedienten uns der Grundausstattung – der zwei Familien, der Kinder, des Dinos und eines typischen Feuerstein-Plots – und schmückten sie üppig aus, wobei wir viel Wert auf eine ganz moderne Art von Humor legten.“ Spricht so etwa der Fan über seine Jugendkultserie? Nein!!

Wer zu spät kommt, den bestraft nicht das Fernsehen, sondern das Kino. Waren die beiden „Batman“-Verfilmungen noch ein Sex-&-Crime-geladener Gothic- Novel-Überbau zum cleanen Doppelleben des piefigen Fifties-Millionärs, der erst in Strumpfhosen zum Rächer werden konnte, so steht die Handlung der Flintstones still auf der Stelle und macht Verbeugungen vor der Gegenwart. Noch immer arbeitet Fred mit seinem Kumpel Barney im Steinbruch und fährt die Felsbrocken von einem Brontosaurus aus ein. Nach der Schicht wird gekegelt und im Kreise der Büffelhörner getrunken. Es könnte auch Feierabend in Pittsburg, Pennsylvania, sein. Doch bald schon verheddert sich Feuerstein im Intrigennetz seines Chefs. Der gerissene Cliff Vandercave will den trotteligen Fred zum Vorsitzenden der Firma machen, um ihn als Strohmann für betrügerische Transaktionen zu benutzen. Seine Sekretärin (Halle Berry), eine Art Sharon Stone mit eben diesem Namen, wickelt derweil den unbedarften Dickus um den Finger, bis ihm Wilma endlich zu Hilfe eilt. Mit anderen Worten: Das Leben in Bedrock ist nicht die spitze Übertreibung der gesellschaftlichen Verhältnisse, eine Unter-Nabelschau des American way of life, sondern die Entschuldigung für den gleichbleibenden Lebenswandel trotz der Wende nach Bush und Reagan – sorry, aber wir sind halt so. Ungewaschene Füße und glattrasierte Gesichter, die ein urzeitlicher Taschenkrebs aus der Muppet-Werkstatt entstoppelt hat – da wurden die Nähe zum Original mit Standardanimation, Effekte mit Symptomen verwechselt.

Mit Maverick, Beverly Hillbillies und den Flintstones wurden gleich drei der erfolgreichsten Fernsehserien der sechziger Jahre mehr oder minder real nachverfilmt. Woher das Interesse Hollywoods an dieser Zeit der Vorherrschaft des TV? Weil es gar nicht mehr auf den Unterschied ankommt. Alles läßt sich zwischen Medien arrangieren – Video, TV, Spielfilm, Computer-Game. In jeder dieser Formen sind Cowboys, Hinterwäldler und die Steinzeithelden derzeit verfügbar. Der Film ist nicht die Übersetzung auf ein größeres Medium, sondern eine strategische Absicherung im Marktverbund. Für eine Persiflage auf McDonalds hat der Fast-Food- Konzern höchsteigens 45 Millionen Dollar an Universal-Film gezahlt. Nun hängt ein Schild in Bedrock City, das für die Burger von RocDonalds wirbt (ein gewisser Steven Spielrock hatte damit noch vor Drehbeginn die Unkosten wieder eingeholt).

Schon in den Sixties waren alle drei jetzt recyclten Serien Parodien, vor allem auf ältere Film- Genres. Die Hillbillies und Maverick drängten als blödelnde Couchpotatos gegen den Westernpathos von John Wayne und die Aufrichtigkeit in John Fords Cowboy-Epen an. Fernsehen war wie eine Kolportage auf die dreißiger und vierziger Jahre, in denen das Kino mit den meisten Filmen amerikanische Geschichte nacherzählte, von den ersten Siedlern bis zum Kleinstadtdemokraten des New Deal – und James Stewart als Role Model für alle. Fernsehen wollte keine Geschichte erzählen, sondern die Gegenwart zeigen: Flintstones ebenso wie die Jetsons waren eine überzeichnete Sozialsatire auf die Einfamilienhäusler aus den Vorstädten – Neandertaler und Zukunftswesen zugleich. Die Alien von nebenan.

Nicht anders die Flintstones heute: John Goodmann verkauft sich als schmalziger Wonneproppen aus der Steinzeit wie ein Versicherungsvertreter aus der eigenen Vergangenheit beim Werbefernsehen. Seine gönnerväterliche Attitüde, sein tollpatschiges Versagen als Gatte und Geschäftsmann sind eher als Warnung vor einer Rückkehr der scheinbar hinter sich gelassenen Vergangenheit der abgefeimten Wall-Street-Yuppies zu verstehen. Wenn John Goodmann als Fred seiner Frau in einem völlig nebensächlichen Ehezwist eröffnet, daß er doch bitte die Hosen im Haus anhaben möchte, überläßt sie sie ihm klaglos das Feld. In der ursprünglichen Fassung verlief der Disput zwar andersherum, und Fred mußte putzen, heute aber ist Wilma (Elizabeth Perkins) die Hausfrau of Liberty.

Wer will, mag darin das allzumenschliche Aufbegehren des Individuums im Kapitalismus wähnen, wie es etwa der Spiegel getan hat. Das meiste jedoch sind durchkonstruierte kleine Fluchten eines sympathischen dicken Mannes, Verniedlichung allgemeiner Hilflosigkeit. Der hochnäsige Yuppie, als Goodmanns Gegenpart von Kyle MacLachlan wie in „Twin Peaks“ einsam und fremd neben der Handlung hertappend gespielt, wird zwar bestraft, doch die Rationalisierung im Steinbruch nimmt auch ohne dessen Fortschrittspläne ihren Lauf. Daß Fred am Ende den Job als Leiter der Außenstelle für die eben entdeckte Betonmischtechnik ablehnt, hat nichts mit schüchterner Zivilisationskritik zu tun, es ist die Aussteigerhaltung, mit der einem auch Baulöwen in Talkshows begegnen.

Die Serie hatte ihre großen Momente in den Lücken, in der Unentschiedenheit ob der Machtstrukturen, im sisyphalen Gesellschaftskontrakt, der Fred in eine Linie mit Donald und allen anderen Durchschnittsversagern stellte. Im Film werden Steinbruch und Sklaven zu einer hübschen Kulisse für Animationstechniker, die andauernd Saurierköpfe einblenden. Der Rest sind Postkartenansichten von einem Paradies hinter dem Gartenzaun und die amerikanische Variante des kategorischen Imperativs. Die Musik zumindest stimmt: Die BC 52s singen zu Surf- und Shag-Tänzen wie auf einer Strandparty, und Kate Pierson kann endlich einen authentischen Fell-BH tragen, allerdings aus Kunstfell wegen der besseren Verträglichkeit.

„The Flintstones – Die Familie Feuerstein“. Regie: Brian Levant. Mit John Goodmann, Rick Moranis, Elizabeth Perkins, Kyle MacLachlan, Halle Berry, Elizabeth Taylor, u.a. USA, 1994.

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